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Die geschützten Männer

Die geschützten Männer

Titel: Die geschützten Männer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R Merle
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Bürgerkrieg gestürzt
     wurden. Präsidentin Hope hat begriffen, daß man ein halbwegs dauerhaftes soziales Gebäude nicht auf dem Haß gegenüber dem
     Mann aufbauen kann, sosehr die Frau im Laufe der Jahrhunderte benachteiligt gewesen sein mag.
    Man kann gegen das Gesetzbuch der Frau ohne Zweifel einwenden, daß es neue Disproportionen schafft, indem es die Allmacht
     des einstigen schwachen Geschlechts begünstigt. Die Zukunft wird darüber entscheiden, ob diese Ungleichheit nicht den schlimmen
     Keim der Zwietracht enthält. Aber ich kann wenigstens bezeugen, daß ich in dieser Gesellschaft viel angenehmer lebe als in
     Blueville. Unter der Hope-Administration fühlt sich der Mann weder gehaßt noch verachtet noch ständig in seiner Männlichkeit
     und seinem Leben bedroht. Eher bringen die Frauen gegenwärtig den Männern übermäßig viel Liebe entgegen: ohne Zweifel eine
     Reaktion auf die widernatürlichen Tabus Bedfords und gleichzeitig auf die Entfaltung eines Instinkts der Frau, der nicht mehr
     durch das Trauma ihrer sozialen Unterlegenheit erstickt wird.
     
    Sobald ich nach Washington zurückgekehrt war, ging der Trubel, den wir schon in Ottawa kennengelernt hatten, weiter: Rundfunk,
     Fernsehen, Pressekonferenzen, jedoch mit einem wichtigen Unterschied. In Ottawa war ich der große Mann. In Washington war
     es Burage.
    Sie teilte diese Berühmtheit übrigens mit Jackie, die sich in Ottawa zurückgehalten hatte, hier jedoch aus dem Schatten trat,
     zusammen mit Mrs. Barrow. Alle drei legten lang und breit dar – zum höchsten Ruhme des
Wir
–, wie sie mich in Blueville |354| wirksam vor den Bedfordisten geschützt hatten, bevor sie meine Flucht erfolgreich in Szene setzten.
    Ich war bei diesen Interviews anwesend, doch da man mir kaum Fragen stellte, schwieg ich. Ich nahm zur Kenntnis, daß man mich
     dem Publikum nicht wie den Helden der Geschichte vorstellte, sondern eher wie einen rührenden Gegenstand. Im Fernsehen geizte
     die Kamera keineswegs mit schmeichelhaften Großaufnahmen von mir; die Interviewerin gab mir zwar selten das Wort, doch machte
     sie das durch lobende Kommentare über mich wett. »Der hier anwesende Dr. Martinelli ist, wie Sie sehen, ein sehr charmanter
     Mann
(a very charming man). «
Sie ließ das so nebenbei fallen, während sie ihre Hand auf meinen Schenkel legte und die Fernsehzuschauerinnen mit Gönnermiene
     zu Zeugen meiner attraktiven Reize machte.
    Im übrigen hatten Burage und Jackie mir vor dem Interview die Leviten gelesen. Wenn man mir Fragen stellte (und natürlich
     sollte ein bißchen von dem berühmten Serum gesprochen werden!), vor allem keine zu sexistische Miene aufsetzen. Was meint
     ihr jetzt damit? Du weißt doch, Ralph, arrogant, selbstsicher … Ach, ich verstehe, ich habe die bescheidene Unschuld aus Wildes
     Stücken zu spielen! Die immer nur »Yes, Mama« zu ihrer Mutter sagt …
    Meine Gefährtinnen gaben mir trotz alledem kluge Ratschläge. Als ich es sechs Monate später mit sexistischer Arroganz versuchte,
     ging es daneben. Bei meinem … zigsten Fernsehinterview – wenn ich mich recht erinnere, war es eine Aufzeichnung – stellte
     mich die Kommentatorin wieder einmal als einen »sehr charmanten Mann« vor. Ich unterbrach sie etwas pikiert, um nachdrücklich
     zu betonen: »Ich hoffe, ich bin auch ein guter Wissenschaftler.« Die Kommentatorin sah mich an, verdutzt über meine Aggressivität;
     dann lächelte sie und sagte nachsichtig mit amüsierter Miene: »Aber sicher, Dr. Martinelli. Niemand in unserem Lande zweifelt
     an Ihren Fähigkeiten.« Daraufhin die Bäuche von Jackie und Burage in Großaufnahme, beide waren damals schwanger, was nicht
     zu übersehen war. Ich vermute, die Sprecherin und die Kamerafrauen haben sich köstlich amüsiert, als sie hinterher diese kleine
     Montage machten.
    »Du siehst, was es dir einbringt, wenn du aus der Reserve gehst«, sagte Burage wütend.
    |355| Dave war entzückt, in Washington wieder in unserem Haus in Wesley Heights zu wohnen, den großen Garten, sein Zimmer wiederzuhaben
     – in dem eine große Wandtafel eine ganze Wand einnahm – und vor allem das Fernsehen, das er in Blueville so vermißt hatte.
     Am Anfang fragte ich mich, wie er mein Zusammenleben mit zwei Frauen aufnehmen würde. Aber als ich ihn diesbezüglich vorsichtig
     aushorchte, bemerkte ich, daß meine Sorge unbegründet war. Dank dem Fernsehen und der Schule ergriffen die herrschenden Vorstellungen
     über den

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