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Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)

Titel: Die geschwätzigen Kleinode (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denis Diderot
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mein Geschlecht verhaßter: die selbst nicht ausgenommen, denen ich Achtung schuldig zu sein glaubte. Ich bin gegen sie so aufgebracht, daß ich selbst Ihre Hoheit bitte, mich einige Augenblicke allein zu lassen.« Mangogul wußte, daß der Favorite jeder Zwang zuwider sei, küßte dreimal ihr rechtes Ohr und verließ sie.
    Mangogul war ungeduldig, die Favorite wiederzusehn, schlief wenig, stand früher als gewöhnlich auf und war bei ihr, da es eben Tag ward. Sie hatte schon geschellt, man zog ihre Vorhänge auf, und ihre Zofen wollten sie gerade aus dem Bette nehmen. Der Sultan gab auf alles genau acht, und da er kein Schoßhündchen um sie erblickte, fragte er sie nach der Ursache dieser Sonderbarkeit. »Halten Sie mich deswegen für sonderbar?« fragte Mirzoza. »Ich sehe doch,« erwiderte der Sultan, »daß alle übrigen Damen meines Hofes Schoßhündchen um sich haben. Sie würden mir also einen Gefallen tun, wenn Sie mich belehren wollten, warum sich jene Schoßhündchen zulegen, oder warum Sie keinen leiden? Die meisten haben sogar mehr als eins, und jede verschwendet Liebkosungen an das ihrige, die sie ihrem Liebhaber selbst kaum zu verstatten scheint. Wodurch verdienen diese Tiere den Vorzug? Was tut man mit ihnen?«
    Mirzoza wußte keine Antwort auf diese Fragen. »Mein Gott,« sagte sie, »man hält sich eben ein Hündchen, so gut wie einen Papagei oder Kanarienvogel. Vielleicht ist es lächerlich, sich an Tiere zu gewöhnen; aber es kann niemand befremden, daß man sie besitzt. Sie unterhalten zuweilen und schaden niemals. Liebkost man sie, so hat das weiter keine Folgen. Glauben Sie denn übrigens, gnädigster Herr, ein Liebhaber begnügte sich mit einem solchen Kuß, wie ihn seine Dame ihrem Möpschen gibt?« »Allerdings glaub ich das,« sagte der Sultan. »Er müßte wahrhaftig sehr begehrlich sein, wenn ihm der nicht genug wäre.«
    Eine der Kammerfrauen Mirzozens, die durch ihre Sanftmut, Geschicklichkeit und Treue die Gunst des Sultans und der Favorite gewonnen hatte, nahm das Wort: »Diese Tiere sind lästig und schmutzig. Sie beflecken die Kleider, verderben die Stühle, zerreißen die Spitzen und richten in einer Viertelstunde mehr Unheil an, als erforderlich wäre, unsere allergetreueste Kammerfrau in Ungnade fallen zu lassen. Dennoch werden sie beibehalten.«
    »Obschon sie nach der gnädigen Frau zu weiter nichts gut sind,« setzte der Sultan hinzu.
    »Fürst,« antwortete Mirzoza, »wir legen eben auf unsre Grillen Wert. Ein Möpschen um sich haben, muß wohl auch so eine Grille sein wie viele andre, die diesen Namen nicht mehr verdienen würden, wenn wir uns Rechenschaft darüber geben könnten. Mit der Herrlichkeit der Affen ist’s vorbei, die Papageien halten sich noch. Die Hunde waren ganz abgekommen, jetzt kommen sie wieder in Aufnahme. Haben doch auch die Eichhörnchen ihre Zeit gehabt. Das ist Modesache. Mit den Tieren geht’s, wie es der Reihe nach gewesen ist mit dem Italienischen, mit dem Englischen, mit der Geometrie, mit all dem Firlefanz von Stickereien und Falbeln.«
    »Mirzoza,« erwiderte der Sultan und schüttelte den Kopf, »weiß zwar viel, aber doch nicht alles. Wenn die Kleinode reden wollten …«
    »Ihre Hoheit glauben doch nicht etwa,« sagte die Favorite, »daß uns Harias Kleinod erklären könnte, warum diese Frau den Tod ihres Sohnes, einer Tochter und ihres Gemahls ohne Tränen sah und vierzehn Tage über den Verlust ihres Möpschen trauerte?«
    »Warum nicht,« antwortete der Sultan. »Wahrhaftig,« sagte Mirzoza, »wenn unsere Kleinode jede weibliche Grille erklären könnten, so wüßten sie mehr als wir selbst.«
    »Wer kann das leugnen?« erwiderte der Sultan. »Auch halt’ ich dafür, daß das Kleinod eine Frau hundert Dinge tun läßt, ohne daß sie es gewahr wird. Ich bemerkte bei mehr als einer Gelegenheit, daß eine, die ihrem Kopfe zu folgen glaubte, nur ihrem Kleinod gehorchte. Ein großer Philosoph suchte den Sitz der Seele, unsrer Seele nämlich, in der Zirbeldrüse. Wenn ich den Weibern eine Seele zugestände, so weiß ich wohl, wohin ich sie versetzte.«
    »Ich erlasse Ihnen, mich darüber zu belehren,« meinte Mirzoza hastig.
    »So erlauben Sie mir wenigstens,« sprach Mangogul, »Ihnen einige Vermutungen über die Weiber mitzuteilen, auf die, unter der Voraussetzung, daß sie eine Seele haben, mein Ring mich gebracht hat. Die Versuche meines Ringes haben mich zu einem großen Moralisten gemacht. Ich bin nicht so witzig wie La Bruyère, nicht

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