Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
Rücksicht ein Held sein, er ist toll, wenn er diesen Feind zu besiegen hofft. Thelis betrug sich freilich mit vieler Vorsicht, doch blieben ihre ersten Verirrungen nicht unbekannt. Also schrieb man ihr auch in der Folge mehr zu, als man erfuhr, und Mangogul, neugierig, die Wahrheit zu erfahren, eilte aus dem Vorhof ihres Palastes in ihr Wohnzimmer.
Es war gerade mitten im Sommer, die Hitze sehr groß, und Thelis hatte sich nach aufgehobener Tafel auf ein Ruhebett gestreckt in einem entlegenen Gemach, das mit Spiegeln und Gemälden geschmückt war. Sie schlummerte; noch ruhte ihre Hand auf einer Sammlung persischer Märchen, die sie eingeschläfert hatten.
Mangogul betrachtete sie eine Zeitlang, gestand sich, daß sie reizend sei und drehte seinen Ring gegen sie.
»Es ist mir noch so im Gedächtnis, als ob es jetzt geschähe,« sagte Thelidens Kleinod sogleich: »Neun Liebesproben in vier Stunden! Welch ein Genuß! Göttlicher Zermunzaid! So verfährt der alte frostige Sambuco nicht! Teurer Zermunzaid! Ich kannte die wahre Freude, das höchste Gut der Menschen nicht. Du hast es mich kennen gelehrt.«
Mangogul wünschte die näheren Umstände des Umganges Thelidens mit Zermunzaid zu erfahren. Das Kleinod hielt sich nur an das, was einem Kleinod das wichtigste ist, und schlüpfte darüber weg. Mangogul rieb ein Weilchen den Stein seines Ringes gegen sein Gewand, bis er glänzend ward, und kehrte ihn aufs neue gegen Thelis. Bald empfand das Kleinod seine Kraft, begriff besser, was man eigentlich von ihm verlangte, und nahm mehr den Ton eines Geschichtschreibers an:
»Sambuco stand an der Spitze des Heeres zu Monoemugi, ich folgte ihm ins Feld. Zermunzaid war sein Adjutant; der Feldherr beehrte ihn mit seinem besondern Vertrauen und übergab uns seinem Geleit. Der eifrige Zermunzaid wich nicht von seinem Posten; er schien ihm zu angenehm, um ihn einem andern abzutreten; und die Furcht, ihn zu verlieren, war seine einzige Furcht während des ganzen Krieges.
Im Winterquartier bekam ich neue Gäste. Kassil, Zekia, Almamun, Jesub, Selim, Mansora, Nereskim: alles Offiziere, die Zermunzaid geführt hatte, aber keiner war so viel wert als er. Der leichtgläubige Sambuco verließ sich in Ansehung der Tugend seiner Frau auf sie selbst und auf Zermunzaids Vorsorge. Die unermeßlichen einzelnen Vorkehrungen des Krieges, der große Plan, den er zu Ehren von Congo vorbereiten wollte, machten ihm so viel zu schaffen, daß er nicht Zeit hatte, den Verdacht zu fassen, daß Zermunzaid ihn verrate oder Thelis ihm untreu sei.
Der Krieg dauerte fort, die Heere rückten wieder ins Feld, und wir stiegen wieder in unsre Sänften. Da die nur sehr langsam vorwärts gingen, so verloren wir unmerklich den Kern der Armee aus dem Gesicht und blieben beim Nachtrab. Zermunzaid führte ihn. Dieser tapfre Junge, den der Anblick der größten Gefahr nie vom Wege des Ruhms entfernen konnte, ließ sich durch die Lockungen der Liebe verleiten. Er überließ einem untergeordneten Offizier die Beobachtung des Feindes, der uns beunruhigte, und stieg in unsern Wagen. Aber kaum war er drinnen, als wir Waffengeklirr und verwirrtes Geschrei vernahmen. Zermunzaid ließ seine Arbeit unvollendet und wollte aussteigen, aber er ward zu Boden gestreckt, und wir blieben in der Gewalt des Siegers.
So verschlang ich die Ehre und die Verdienste eines Offiziers, der von seiner Tapferkeit und seiner Tüchtigkeit die erste Stelle, die höchsten Kriegsämter erwarten durfte, wenn er nie die Gattin seines Generals gekannt hätte. Mehr als dreitausend Menschen blieben bei der Gelegenheit auf dem Platz. So viel gute Untertanen haben wir dem Staat entwendet.«
Man bedenke, wie Mangogul über diese Rede erstaunen mußte! Er hatte Zermunzaids Leichenpredigt mit angehört und erkannte ihn an dieser Schilderung nicht wieder. Erguebzed, sein Vater, hatte den Verlust dieses Offiziers bedauert. Alle Zeitungen, die man las, verschwendeten das höchste Lob an seinen glänzenden Rückzug und schrieben seine Niederlage und seinen Tod der feindlichen Übermacht zu, die sechsmal stärker gewesen sei als er. Ganz Congo beklagte einen Mann, der seine Pflicht so gut erfüllt hätte. Seine Frau bekam ein Gnadengehalt, sein ältester Sohn das Regiment seines Vaters und der jüngste die Anwartschaft auf eine Domherrnstelle.
»Das ist abscheulich!« rief Mangogul leise. »Die eheliche Treue gebrochen, den Staat verraten, die Mitbürger aufgeopfert, alles das um ein Kleinod! Und der Frevel
Weitere Kostenlose Bücher