Die geschwätzigen Kleinode (German Edition)
so logisch wie Port-Royal, nicht so reich an Einbildungskraft wie Montaigne, nicht so weise wie Charon, aber ich habe Tatsachen gesammelt, die ihnen vielleicht abgingen.«
»Reden Sie, gnädigster Herr,« antwortete Mirzoza spöttisch, »ich werde ganz Ohr sein. Die moralischen Versuche eines Fürsten von Ihren Jahren müssen etwas sehr Merkwürdiges sein.«
»Guallonorone ist ein Narr mit seinem System, sein Kollege, der berühmte Hiragu, mag sagen, was er will. Doch hat er manchen Einwurf, der ihm gemacht ward, sehr verständig beantwortet. Wenn ich den Weibern eine Seele zugestände, so würd’ ich ihm gern einräumen, daß ihre Kleinode von jeher geredet haben, nur leise, und daß Cucufas Reiz keine andre Wirkung hervorbringt, als eine Verstärkung ihrer Stimme. Unter dieser Voraussetzung wäre nichts so leicht, Euch alle, so viele Ihr seid, nach Eurem Kleinode zu bestimmen:
Die kluge Frau zum Beispiel hat ein stummes Kleinod, oder hört nicht darauf.
Die spröde stellt sich, als ob sie nicht darauf höre.
Die eroberungssüchtige hat ein Kleinod, das zuviel begehrt, und dem sie zuviel gewährt.
Die wollüstige hört gern auf ihr Kleinod.
Die verbuhlte hat ein Kleinod, das stets verlangt und dem nichts abgeschlagen wird.
Die Gefallsüchtige hat ein stummes Kleinod, oder hört nicht darauf; gibt aber jedem Manne, der sich ihr naht, die Hoffnung, ihr Kleinod werde endlich reden, und sie werde nicht immer taub bleiben.«
»Nun Wonne meines Lebens, was denken Sie von meinen Erläuterungen?«
»Ich denke,« antwortete die Favorite, »Ihre Hoheit vergessen die zärtliche Frau.«
»Ich erwähne ihrer nicht,« antwortete der Sultan, »weil ich noch nicht recht weiß, wie es um sie steht. Kluge Leute behaupten ohnedem, das Wort zärtlich habe keinen Sinn, wenn es sich gar nicht auf das Kleinod bezieht.« »Keinen Sinn?« rief Mirzoza. »Es gibt also gar keine Mittelstraße. Ein Frauenzimmer kann nichts sein, als nur spröde, eroberungssüchtig, gefallsüchtig, wollüstig oder ausschweifend?«
»Wonne meines Lebens,« sagte der Sultan, »ich gestehe Ihnen gerne, daß meine Rangliste unvollständig ist. Ich will die zärtliche Frau den vorher genannten Merkmalen hinzufügen, aber unter der Bedingung, daß Sie mir eine Erklärung von ihr geben, die unter den meinigen nicht schon mit inbegriffen war.«
»Sehr gern,« sagte Mirzoza. »Ich hoffe das zustande zu bringen, ohne Ihr System zu verlassen.«
»Lassen Sie hören,« versetzte Mangogul.
»Nun denn,« erwiderte die Favorite, »die zärtliche Frau ist die ….«
»Nur Mut, Mirzoza!« rief der Sultan.»O! verwirren Sie mich nicht, wenn ich bitten darf. Die zärtliche Frau ist die …, die geliebt hat, ohne daß ihr Kleinod sprach, – oder deren Kleinod immer nur für den einzigen Mann sprach, den sie liebte!«
Es wäre nicht artig vom Sultan gewesen, die Favorite zu ärgern und zu fragen, was sie unter lieben verstehe; daher tat er es nicht. Mirzoza hielt sein Schweigen für ein Eingeständnis und, stolz darauf, sich mit soviel Anstand aus einer schwierigen Lage gezogen zu haben, sprach sie: »Ihr Männer glaubt immer, weil wir von Beweisführung nichts wissen wollen, so vermöchten wir auch nicht zu denken. Lernt endlich einmal, daß wir eben so leicht das Falsche an Euren Paradoxen herausfänden, als Ihr die Schwäche unsrer Gründe, wenn wir uns nur die Mühe geben wollten. Läge Eurer Hoheit nicht jetzt so viel daran, Ihre Neugier über die Schoßhündchen zu befriedigen, so gäb ich Ihnen vielleicht meinerseits eine kleine Probe meiner Philosophie. Aber ich schenke sie Ihnen darum nicht; ich spare sie für einen andern Tag, wenn Sie mir etwas länger zuhören wollen.«
Mangogul antwortete: er wisse auf der Welt nichts Besseres zu tun, als sich die Schätze ihrer Philosophie aufschließen zu lassen. Die Metaphysik einer zweiundzwanzigjährigen Sultanin müsse wenigstens ebenso merkwürdig sein, als die Sittenlehre eines Fürsten von seinen Jahren.
»Aber Mirzoza, die besorgte, dies sei von Mangoguls Seite nur Nachgiebigkeit, erbat eine Frist, um sich vorzubereiten, und gab dadurch dem Sultan einen Vorwand, dahin zu fliegen, wohin ihn seine Ungeduld berufen mochte.«
Mangogul versetzte sich alsbald zu Haria und sprach nach seiner beliebten Gewohnheit mit sich selbst: »diese Frau legt sich nie schlafen ohne ihre vier Hunde. Wenn ein Kleinod etwas von diesen Tieren weiß, so erfahr’ ich es durch das ihrige; denn es ist, Gott sei Dank! bekannt, daß
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