Die Glut des Zorns (Billy Bob Holland) (German Edition)
Revolution stattgefunden hat?«, sagte sie.
Er wollte gerade zu einer Erwiderung ansetzen, als Temple aus der Küche kam.
»Doc und Billy Bob sind Gentlemen. Ich nicht. Zisch ab, du blöde Kuh«, sagte sie und schubste Holly Girard aus der Tür.
Ich ging zu den Bäumen am Fluss und setzte mich auf einen rosa-grauen Felsen über einer ruhigen Stelle voller Pappelblätter, die sich gelb verfärbt hatten und auf den Grund gesunken waren. Ich hatte den Sheriff angelogen, was meinen Seelenfrieden anging. Tatsache war, dass ich keine Ruhe fand, weder vor L. Q.s rastlosem Geist noch vor der Wut, Blutgier und Rachsucht, die eine Art Erbgut der Familie Holland waren.
Witherspoon und Dixon haben all das verdient, was ihnen widerfahren ist, sagte ich mir. Die Gewalttätigkeit steckte in ihnen wie ein Dämon; ich war nicht der Auslöser. Das Gesetz hatte in Maiseys Fall versagt; es hatte gegenüber Doc versagtund in gewisser Weise auch bei Sue Lynn Big Medicine. Manchmal musste man die Würfel zinken, sonst wurde man von dem Bösen verzehrt, das die Gesellschaft oder die Regierung aus welchem Grund auch immer dulden.
Mit meiner ausgeklügelten Rechtfertigung wäre ich fast aus dem Schneider gewesen.
Aber ein sonderbares Schuldgefühl und eine tiefe Niedergeschlagenheit befielen mich, und mit Dixon oder Witherspoon hatte das nichts zu tun. Zum ersten Mal wurde mir richtig klar, warum mich L. Q. Navarros Geist heimsuchte.
Ich hatte gegen das Vermächtnis verstoßen, das mir der Prediger mit auf den Weg gegeben hatte, als ich in einem Fluss in den Winding Stair Mountains im Osten von Oklahoma getauft worden war. Während ich mich noch zitternd in das alte Army-Hemd meines Vaters kuschelte, hatte sich der Prediger mit seinem langen Gesicht zum Fenster herabgebeugt und mir erklärt, dass ich nie wieder Angst haben müsste, dass das grüngoldene Herbstlicht, das wie gesprungenes Kristall vor meinen Augen zerborsten war, als ich japsend und um Atem ringend aus dem Wasser gehoben wurde, ein eindeutiges Zeichen sei. Meine Haut brannte, wie ich es noch nie erlebt hatte, anders als je zuvor, und auch die Landschaft hatte sich verändert, das rotgoldene Laub der Hartholzbäume, das meilenweit wogte wie ein Blumenfeld, den ganzen Hang hinauf bis zu den massigen blauen Umrissen der Ozarks.
Aber die Angst, dass L. Q. und ich uns nicht behaupten könnten, dass man uns weder rechtfertigen noch rächen würde, war es, die L. Q. in einem von Insekten verseuchten Arroyo getötet hatte – wegen einer Drogenmenge, die am gesamten Markt gemessen winzig war, die vermutlich das Leben keines einzigen Süchtigen verändert und nicht einem Dealer das Handwerk gelegt hatte. Was für ein Preis, dachte ich.
»Bist du sauer, weil ich Holly Girard rausgeworfen habe?«, sagte Temple hinter mir.
»Nein, überhaupt nicht. Du warst sehr überzeugend«, erwiderte ich.
»Und worüber denkst du dann nach?«
»Carl Hinkel wird vermisst. Ich weiß, wo er ist.«
»Ach?«
»Ich habe dafür gesorgt, dass Nicki Molinari über Hinkels Mitschuld am Mord von Cleo Lonnigans Sohn Bescheid weiß. Molinari wird Hinkel benutzen, um von Cleo sein Geld zurückzubekommen. Ich glaube, er lässt ihn möglicherweise von Cleo umlegen.«
»Das ist deren Mist«, sagte Temple.
»Mag sein.«
»Wo willst du hin?«, fragte sie.
»Die Sache unterbinden, wenn ich’s noch kann«, sagte ich.
Aber bei Cleo Lonnigan meldete sich niemand, und ihr Anrufbeantworter war abgeschaltet. Ich ging wieder hinaus, holte L. Q.s Revolver und eine Schachtel .45er Munition aus Lucas’ Zelt und traf unten am Fluss wieder auf Temple.
»Soll ich dich heimfahren?«, sagte ich.
»Nein. Aber ich komme mit dir, egal, wohin wir beide gehen müssen«, erwiderte sie.
Wir fuhren hinaus ins Jocko Valley, zu Cleo Lonnigans Haus, aber sie war nicht da. Ich hinterließ eine Nachricht innen an ihrer Tür:
Liebe Cleo,
fahr nicht zu Nicki Molinaris Ranch, egal, wie notwendig es dir unter Umständen vielleicht vorkommen mag. Ich setze mich mit dem Sheriff in Verbindung und teile ihm mit, dass Molinari meiner Meinung nach in eine Entführung verwickelt ist. Carl Hinkel wird letzten Endes vermutlich ein viel schlimmeres Schicksal ereilen, als du und ich es ihm bereiten könnten.
Ich wünsche dir alles Gute.
Billy Bob Holland
Ich stieg in den Pick-up, ließ mir Temples Handy geben und wählte den Notruf. Ein Telefonist in der Zentrale verband mich mit dem Sheriff. Wieder einmal erwischte ich ihn am
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