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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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eigentlich gar so auf?«
    »Warum ich mich aufreg?« japste der Landthaler. »Weil ich dem Wegmacher seine erstunkenen Geschichten nimmer hören kann.«
    »Hörst halt nicht hin! Aus! Hast doch sonst nichts gegens Geschichtenerzählen!«
    Der Landthaler erstarrte. Sein Blick flirrte. Auf seiner Schläfe bildete sich eine wurmartige Geschwulst. »Was… was willst damit sagen?« fragte er rauh.
    Der Stadler tat unschuldig. »Gar nichts. Bloß, daß du doch auch hie und da gern Geschichten erzählst.«
    »Landthaler! Stadler!! Aufhören!« Der Wirt hatte das Wischtuch zur Seite geworfen, kam an den Tisch geeilt und versuchte, die beiden Männer auseinanderzuzerren. Ein klobiger Faustschlag, der eigentlich dem Stadler gegolten hatte, traf seine Schulter. Er taumelte zurück.
    Die Tür der Gaststube fiel krachend in das Schloß.
    »Horts auf!« keuchte der Wirt.
    »Das mein ich auch.« Wachtmeister Kaneder trat langsam in die Mitte des Raums, schob seine Brille mit der Fingerspitze zurecht und kratzte sich seinen hinter dem Kragen nässend geröteten Hals. Der Landthaler richtete sich mürrisch auf.
    Der Ortspolizist musterte ihn streng. »Wegen was wird da schon wieder gerauft?« Der Bauer schniefte verletzt und schwieg. Langsam griff er in seinen schütteren Schopf und schob einige siechfarbige Strähnen, die ihm über die Stirn gefallen waren, zurück. Kaneder wandte sich mit fragendem Blick an den Stadler. Dieser zuckte die Schultern.
    »Nichts«, räusperte er sich, »ich… ich hab ihm bloß gesagt, daß es seltsam ist, daß er allerweil, wenn er mit dem Mischen dran ist, hernach den Herzkönig kriegt.«
    Der Reither nickte erleichtert.
    »Ist überhaupt nicht wahr«, knurrte der Landthaler.
    Kaneder verstand. »Dann sag ich euch, daß jetzt gleich Sperrstund ist und ich den Holzköpfen, die ich das nächste Mal wieder beim Raufen erwisch, eine saftige Straf aufbrenn! Haben wir uns?« Er hob die Stimme. »Ob ihr mich verstanden habt?«
    Die beiden Streithähne nickten widerwillig. Der Reither griff nach den Karten, stand auf und legte das Päckchen auf eine Ablage neben dem Schanktisch. »Heut wars wieder gemütlich!« sagte er ernüchtert und griff nach seiner lacke.
    Auch der Landthaler zog sich an. Der Reither befand sich bereits im Hausgang. Wortlos verließen die Bauern die Stube.
    Der Wachtmeister wandte sich an den Wirt.
    »Und deine gspaßigen Logiergäst? Sind die eigentlich schon daheim?«
    »Den Notari von München, meinens? Der ist schon längst oben in seiner Kammer«, sagte der Wirt. »Ist was mit dem?«
    Kaneder schüttelte unwillig den Kopf und drehte sich um.
    »Und der Wegmacher?« sagte er milder. »Mag Er nicht heimgehen? Zeit ists.«
    Der alte Bauer regte sich nicht.
    »Keine Geschichterl heut, Wegmacher?«
    Der Wachtmeister wartete die Antwort des bockig dreinblickenden Alten nicht ab, kratzte sich wieder hinter seinem Kragen und verabschiedete sich.
    Der Alte schwieg auch noch, als ihn der Wirt wenig später vor die Tür führte. Mit unsicherem Schritt trat er aus dem Kegel des von Mücken berannten Hauslichts und verschwand in der Finsternis. Vom fernen Altwasser am Flußgrund quakten Frösche.
    Der Wirt drehte den Schlüssel und löschte das Licht. Als er kurz darauf die Treppe zu seiner Schlafkammer emporstieg, sich in ihr entkleidete, das Federbett zurückschlug und sich schwer auf sein Lager fallen ließ, dachte er noch einen kurzen Augenblick an die Geschichte, die der Alte hatte erzählen wollen. Dabei schlief er ein.
     
     
    Als die Magd an diesem Spätnachmittag im August des Jahres 1904 mit käsigem Gesicht zur Reitherin in den Stall trat und ihr stumm den leeren Wassereimer zeigte, wußte die Bäuerin sofort, daß etwas Ernstes geschehen sein mußte. Der Hausbrunnen war nun endgültig trocken, und der in die Tiefe gelassene Eimer scheppernd auf Stein gefallen.
    Bald darauf versiegten auch die Brunnen von Wengen und Oberroth. Die erst vor wenigen Jahren verlegte Bleirohrleitung, die das Wasser der Eiskirchner Quelle zu den Weilern über dem Inn führen sollte und aus der zuletzt nur noch ein rostig braunes Rinnsal geflossen war, gab schon seit Wochen keinen Tropfen mehr ab. Auch der Gruber hatte bereits aufgegeben und die Hunde, die seine Pumpe antrieben, aus dem Geschirr gelassen.
    Als vom Grund des Hungerbrunnens im Wolfspeuntner Wald feuchter, von Mückenschwärmen umtoster Morast glitzerte, erschraken die Bauern zutiefst. Von ihren Vorfahren wußte sie, daß Feuchtigkeit in

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