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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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Meisterwerk. Der Kopiermeister explodierte.
    »Weißt du, was dabei ist, wenn ich dich das nächste Mal das Lager ausräumen laß, damits auf den Geraffelhaufen geschmissen wird, wos hingehört? Da ist >Die Flamme< vom Herrn Ludwig dabei, das garantier ich dir! Und noch ein paar andere parfümierte Judensauereien!«
    Teobalt schwieg.
    »Und was die Färbung betrifft, mein Lieber, da laß Er sich ein für allemal gesagt sein: Der Tag ist gelb, die Nacht ist blau, und ein Weibsbild im Zimmer ist rose! So war es, so ist es, und so wirds anders nie sein.«
    Teobalt hob die Schulter und wich dem Blick des Meisters aus.
    »Wir machen das nämlich so, wie wir das allweil machen«, fuhr Ostler fort, »und nicht, wie irgendein Herr Ludwig das meint! Als ob der wüßt, was die Leut wollen.«
    »… Lubitsch«, korrigierte Teobalt ergeben.
    »Ha?«
    »Nicht Ludwig - Lubitsch!« Auch Kajetan nickte.
    »Egal!« Ostler machte eine ärgerliche Handbewegung. »Von dem hört man eh bald nichts mehr, weil die Leut dem seine Krampf nimmer sehn wollen. Genausowenig, wie das Zeugs vom Plumpe, vom Reinhardt und wie die geblähten Gackerl noch alle heißen.« Er hob den Zeigefinger. »Das Publikum, das merkens Ihnen, das hat allweil recht!«
    Teobalt räusperte sich. »Bitteschön, mir gefällts.«
    »Tja«, sagte der Kopiermeister lauernd, »das ist so eine Sach mit dem Gefallen, Herr…«
    Teobalt übersah die Signale. »Das ist wahr«, stimmte er zu.
    Ostlers Stimme klang nun ruhig. Kajetan, der sich während des Streits wieder zu einem der Färbebottiche zurückgezogen hatte, horchte auf.
    »Weißt«, fuhr der Kopiermeister fort, »mir gefallt zum Beispiel nicht, daß Er allerweil grad extra anders tut als wie man Ihm sagt.«
    »Aber es ist doch der Wille des Regisseurs…«, beharrte Teobalt ahnungslos.
    Ostler holte Luft. »Und mein Wille ist, weißt du, was? Daß du dich schleichst!« Seine Stimme überschlug sich. »Auf der Stell! Sie sind entlassen, Herr! Teobalt! Ihre Papiere liegen bereit! Schon seit einiger Zeit!«
    Kajetan erschrak und senkte die Rolle, an der er gerade gearbeitet hatte, in den Bottich zurück. Teobalt löste sich langsam aus seiner Versteinerung und wandte sich um.
    »Bleib da, Emil!« Vergeblich versuchte Kajetan seinen Kollegen, der sich bereits zur Tür des Färbesaales begeben hatte, aufzuhalten.
    »Das könnens doch nicht tun, Herr Ostler…«, versuchte er zu vermitteln. Der Kopiermeister kniff die Augen zusammen. »Ah so?« sagte er sanft. »Das kann ich nicht?«
     
     
    Seit dem Ende des Frühjahrs hatte es fast ohne Unterbrechung geregnet. Seit Wochen dämmerte die Stadt unter einem dichten Nebeltuch, und die Stadt, längst in stumpfgraue Farben getränkt, hatte zu stinken begonnen. Sie roch nach schimmelndem Mauerwerk, nach Rauchfeuer, Küchengerüchen, dem von Tritten und Wagenrädern zermahlenen Pferdekot und dem von fauligen Abfällen geschwängerten Dampf der Tage. Früh dunkelte es, und nur in den Nächten schien sich der schweißige Brodem der langsam verpilzenden Stadt in das Erdreich zurückzuziehen. Zwar hatte sich hin und wieder ein Morgen strahlend geöffnet; doch spätestens dann, als sich die Straßen mit schlafblindem, unfroh fröstelndem Volk füllten, Trambahnwaggons auf ächzenden Geleisen Tausende an ihre Arbeitsstellen beförderten und die Schutzgitter der Läden keckernd zur Seite geschoben wurden, hatte sich wieder eine regenschwangere, filzig undurchdringliche Wolkenmatte über die Gassen, Straßen und Plätze gesenkt. An manchen Tagen stand die Luft unbewegt; milder Faulgeruch wuchs aus den Pflasterritzen, das Unkraut wucherte. Vor Nässe geschwollen trieben Bäume und Sträucher aus.
    Nach regelmäßigen Wolkenbrüchen, in deren Folge die Isar binnen weniger Stunden zum tobenden Wildfluß anschwoll und sich die donnernde, lehmige Flut an den steinernen Brückenpfeilern brach, war die Luft würzig und kühl. Befreiung kündigte sich an; die Wolkendecke hob sich und stellte in den kurz geöffneten hellen Feldern eine Idee der darüber liegenden Bläue aus, fing an ihren zerfetzten Rändern schwefeliges Licht und schien nach Norden zu treiben. Doch kaum waren die dunklen, bauchigen Gebilde zum Horizont gesegelt, hatte der Himmel sich wieder geschlossen.
    Der Nieselregen tappte geräuschlos auf Dächer, Hüte, Blattwerk. In den Ausläufen der Regenrohre rauschte es gleichförmig, Abfall und abgefallene Blätter trieben in dünnen Rinnsalen in das Dunkel der Kanalisation. Die

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