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Die Godin

Die Godin

Titel: Die Godin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Hueltner
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ist seit etwa zwölf Stunden tot«, stellte er fest.
    »Haben Sie berücksichtigt, daß er unter dem Eis gelegen ist?«
    Der Arzt lächelte nachsichtig. »Ich kann durchaus bis drei zählen, Herr Wachtmeister. Aber…«, er war aufgestanden und wischte sich die Eissplitter vom Knie, »… man braucht mich ja hier nicht mehr, nicht wahr?«
    »Ist ja nur eine Frag gewesen, Herr Doktor.«
    »Schon recht.« Der Arzt knöpfte sich umständlich den Mantel zu.
    Der Gendarm dachte nach. Vor zwölf Stunden. Kurz vor Sonnenaufgang. Was suchte der Fuhrknecht um diese Zeit in der Gasse?
    Der Mesner hob den Zeigefinger. »Der Eglinger ist ein rechter Weiberer gewesen«, stieß er eifernd hervor. »Es hat so gehen müssen mit ihm.«
    »Was du alles weißt…«
    »Ich seh halt auch noch was anderes als Teig und versalzenes Mischbrot, Bäck.«
    »Mit dir bigottem Hanswursten red ich gar nicht. Aber, Herr Wachtmeister…«
    »Was, Bäck?«
    »Der Doktor muß sich getäuscht haben.«
    »Warum?«
    Der Bäcker fühlte den mißbilligenden Blick des Arztes. »Weil ich… dann ja was gehört haben müßt. Ich bin jeden Tag schon um halb vier wach, auch wenn ich nicht in die Backstuben muß. Ich hätt was hören müssen - aber ich hab nichts gehört. Bloß, wie auf einmal das Wetter angefangen hat, hab ich gehört.«
    »Und das hat angefangen, nachdem du aufgestanden bist?«
    »Wenig später.«
    »Da ist es also schon hell gewesen?«
    Der Bäcker schüttelte den Kopf. »Da war es hell gewesen!« berichtigte er. »Wenn es ein normaler Tag gewesen war. War es aber nicht. Es war stockfinster.«
    Sinzinger verzog nachdenklich den Mund und blickte wieder auf das mit schwarzem Blut besudelte, durchweichte Bündel zu seinen Füßen. Der Tote lag mit dem Rücken nach oben. Die klaffenden, wächsern gerandeten Einstiche waren deutlich zu erkennen.
    »Der markiert nimmer«, bemerkte der Schmied-Hansl nüchtern. Die Bäckin kicherte hysterisch. Ein Blick des Wachtmeisters brachte sie zum Schweigen.
    »Was ist gestern auf Nacht passiert? Hat einer gesehen, mit wem der Eglinger gestritten hat? - Wirt?«
    Der Nauferger schüttelte den Kopf. »Nein. Gestern war er sogar recht gut aufgelegt, der Alois. Hab mich schon gewundert.«
    Der Landthaler, den in seiner Jugend ein schwerer Unfall mit dem Heuwagen weißhaarig gemacht hatte, schniefte grimassierend durch die Nase und entblößte seine tabakbraunen Zähne. Er schien zu überlegen, wie er beginnen sollte.
    Der Arzt trat einen Schritt vor. »Herr Wachtmeister, ich wollte Ihnen nur noch sagen: Wie ich vorhin an der Gendarmeriestation vorbeigekommen bin, hab ich den Aichinger Marti dort stehen sehen. Er möchte eine Angabe machen, hat er gesagt.«
    »Wird nicht so pressieren«, gab Sinzinger unwirsch zurück. Der Arzt, der sich schon zum Gehen gewendet hatte, wiegte den Kopf und strich sich über seinen grauen Bart. »Es hätte aber mit der Leiche hier zu tun, hat er gemeint.«
     
     
    Kopiermeister Ostler hatte Grund zu guter Laune. Die deutsche Kinoindustrie hatte nach dem Krieg einen ungeheuren Aufschwung genommen; allein im vergangenen Jahr wurden nahezu sechshundert Filme hergestellt, und bereits jetzt, im Frühsommer 1924, konnte jede Wette darauf eingegangen werden, daß sich diese Zahl heuer noch einmal erhöhen würde. Ostlers Zukunft war gesichert. Vor seinem Häuschen in Planegg blühte der Flieder, und im Biergarten der Münchner Kindl-Brauerei, den er aus alter Anhänglichkeit hin und wieder aufsuchte, obwohl er sich längst nicht mehr dem gemeinen Münchner Proletariat zurechnete, rückten die jungen Frauen näher an ihn heran.
    Natürlich liebte Ostler auch das Kino. Der Kopiermeister hatte lediglich einen persönlichen Geschmack und war davon überzeugt, daß nur dieser der richtige sei. Er, der seit der Gründung der Filmfirma Arnold & Richter im Werk an der Türkenstraße arbeitete, hatte sie alle kennengelernt, den geschäftstüchtigen Ostermayer, den verrückten Fey, den verträumten Jaffe und viele andere. Erfolge und Katastrophen hatte er beobachten können, auch Jaffes Verzweiflung miterlebt, als diesem mitten in den Aufnahmen zu seinem König-Ludwig-Film, für den der Regisseur sein ganzes Privatvermögen eingesetzt hatte, der Hauptdarsteller verstarb.
    Der Kopiermeister, der gerade dieses Werk mit einer gewissen Zuneigung bearbeitete, sich aber ein Mitleiden bei allerlei Katastrophen schon früh abgewöhnt hatte, gab dem jungen Mann einen Tip, den dieser dankbar annahm. Was er ihm

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