Die große Verschwendung
haben können – jedenfalls gelegentlich.«
»Na, vielen Dank«, sagte Glabrecht, »das ist ja exakt das, was ich im Augenblick hören möchte, ganz ganz lieben Dank.«
5.
Die bremische Bürgerschaftswahl ging für die Koalition aus SPD und Grünen radikal in die Hose. Wesentlich dazu beigetragen hatte gewiss die MO , deren Kosten nach neuesten Berechnungen noch einmal explodieren würden. Diese Berechnungen waren offenbar aus dem Bereich des Investorenkonsortiums durchgesickert, auch Friedhelm Kulenkampff, der Projektkoordinator des Senats, kam als undichte Stelle in Betracht. Man lag jetzt schon beim Doppelten des ursprünglich geplanten öffentlichen Zuschusses. Und jeder wusste: Das würde nicht das Ende sein. Unmittelbar nach der Grundsteinlegung hatte es einen zweiten, groß angelegten Bericht des Spiegel gegeben, unter der Überschrift »Neuschwanstein an der Weser«, mit langen Interviews, in denen sich Architekten und Baufachleute über die Planungen des »größenwahnsinnigen« Projektes einer »vom Eventwahn berauschten Provinzelite« lustig machten. Auch sei es völlig unmöglich, den Bau in der geplanten Zeit fertigzustellen, und dies müsse dem Senat und dem Investorenkonsortium klar gewesen sein. Der Pressespiegel, den Frau Scholz ihrem Chef täglich gegen zehn Uhr vorlegte, war in den folgenden Tagen geprägt von Dilettantismusvorwürfen aus der gesamten deutschen Tagespresse. Die taz war noch weiter gegangen. Sie schrieb von bewusstem Betrug der Steuerzahler und von Transferleistungen an einen internationalen Konzern mit mafiösen Strukturen, was eine besonders infame Schweinerei sei, weil sie ganz bewusst mit rasch ersonnenen Umweltschutzmätzchen getarnt werde. Glabrecht selbst wurde als ein Mann mit ausgesprochenen »Hochstaplerqualitäten« und einer »Affinität zum Halbseidenen« bezeichnet. Von diesem Tag an hatte Glabrecht gespürt, wie der Umgang seiner Senatskollegen mit ihm entweder flapsiger oder kühler geworden war. Selbst Ö, die ständig neue beschwichtigende Stellungnahmen veröffentlichen musste, schien einen Teil ihrer Unterwürfigkeit gegenüber Glabrecht abgelegt zu haben, was besonders ihre plötzliche Weigerung zeigte, ihrem Chef mimetisch hinterherzuhecheln. Auch die winzig kleinen erotischen Anzüglichkeiten, die zwischen ihr und Glabrecht an der Tagesordnung gewesen waren, gab es neuerdings nicht mehr. Nachdem ihm dies aufgefallen war, hatte Glabrecht das Gebaren von R überprüft. Dr. Wischmann schlug die Beine übereinander, als er seinem Chef gegenüber saß. Außerdem schenkte er sich, ohne vorher um Erlaubnis zu fragen, eine zweite Tasse Tee ein. Beides hatte er früher niemals getan. Auch der Hals schaute deutlicher als üblich aus dem Sakkokragen heraus, wie bei einer Schildkröte, wenn sie sich sicher fühlt und den Kopf weit aus dem Panzer reckt. Einzig Frau Scholz hatte ihre Zuneigungstätigkeiten eher noch verstärkt, seitdem Glabrecht derart angegangen wurde.
Alsbald kündigten CDU und FDP an, sofort nach der Bürgerschaftswahl, die man selbstverständlich gewinnen werde, die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zu beantragen, um die Vorgänge rund um die Planung des Hafenprojektes aufzuklären. Die nötigen fünfundzwanzig Prozent der Bürgerschaftsabgeordneten würde man auf jeden Fall hinter diesen Antrag bringen. Der Weser Kurier hatte halbseitig über das Vorhaben berichtet, und dabei die Frage aufgeworfen, ob es »für Wirtschaftssenator Glabrecht nach der Wahl eine Zukunft im Senat geben wird, selbst wenn dieser weiterhin von Reinhard Alte geführt werden wird, was eher unwahrscheinlich sein dürfte.«
Diese Frage hatte sich inzwischen erledigt, denn es würde keinen Senat aus SPD und Grünen mehr geben. Die beiden Parteien hatten keine absolute Mehrheit der Sitze in der Bürgerschaft mehr, und es war ausgemachte Sache, dass Bremen eine CDU-FDP-Koalition bekommen würde. Die Gespräche waren bereits im Gang. Mit anderen Worten: Glabrecht würde demnächst kein Senator mehr sein. R und Ö würden in Berlin bei der Bundestagsfraktion der Grünen untergebracht, das hatte er noch erreichen können. Aber seine eigene Zukunft war völlig ungewiss. Von seinem Bürgerschaftsmandat konnte er nicht leben, und außerdem würde man ihm demnächst im parlamentarischen Untersuchungsausschuss die Daumenschrauben anlegen. Er hoffte auf einen Posten bei der Heinrich Böll Stiftung, aber es gab zu viele Leute in der Partei, die ihn nicht leiden
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