Die großen Vier
gefasst, doch lag etwas in seiner ganzen Haltung, das ich nicht an ihm kannte.
Alsdann vernahmen wir das Rauschen eines Vorhangs hinter uns, und die Komtesse Rossakoff erschien auf der Bildfläche.
«Ah, sieh da», bemerkte Nummer vier, «unser allgemein geschätzter und getreuer Verbündeter. Ein alter Freund von Ihnen hat sich eingefunden, meine teure Lady.»
Die Komtesse wandte sich temperamentvoll um.
«Allmächtiger Gott!», rief sie aus. «Es ist tatsächlich der kleine Mann! Warum mischten Sie sich bloß in fremde Angelegenheiten ein?»
«Madame», erwiderte Poirot mit einer tiefen Verbeugung, «ich stehe an der Spitze meiner Armeen wie einst der große Napoleon.»
Als er sprach, sah ich einen plötzlichen Verdacht in ihren Augen aufblitzen und erkannte instinktiv im selben Moment die Wahrheit und die Bestätigung meiner früheren Annahme. Der Mann neben mir war nicht Hercule Poirot, er sah ihm zwar ähnlich, sogar außerordentlich ähnlich. Er besaß dieselbe eiförmige Kopfform, dieselbe gedrungene Gestalt und die rundlichen Glieder, doch die Stimme war nicht die gleiche – und die Augen, anstatt grün, leuchteten dunkel; und wie verhielt es sich mit seinem Schnurrbart? – war es wirklich der gleiche?
Meine Betrachtungen wurden durch die Stimme der Komtesse unterbrochen. Sie trat vor, und ihre Stimme zitterte vor Erregung. «Sie haben sich alle täuschen lassen, dieser Mann ist nicht Hercule Poirot!»
Nummer vier stieß einen Ausruf des Unglaubens aus, doch die Komtesse beugte sich vor und griff an Poirots Schnurrbart. Er blieb an ihrer Hand als Bestätigung ihrer Behauptung. Die Oberlippe war durch eine Narbe entstellt, welche den Gesichtsausdruck des Mannes völlig veränderte.
«Es ist nicht Hercule Poirot», murmelte Nummer vier, «aber wer kann es denn sonst sein?»
«Darüber kann ich Ihnen erschöpfende Auskunft geben», rief ich aus, brach jedoch schnell meine Rede ab, aus Angst, etwas verdorben zu haben.
Jedoch der Mann, den ich noch immer als Hercule Poirot bezeichnen möchte, wandte sich mir ermutigend zu.
«Fahre nur fort mit dem, was du sagen wolltest, es ändert jetzt doch nichts mehr an der Sache, da unser Trick gelungen ist.»
«Dieser Mann ist Achille Poirot», sagte ich langsam, «Hercule Poirots Zwillingsbruder.»
«Das ist doch unmöglich!», rief Ryland in scharfem Tone, jedoch anscheinend tief beeindruckt.
«Hercules Pläne haben sich wie ein Wunder erfüllt», sagte Achille mit äußerster Ruhe.
Nummer vier stürzte vorwärts, seine Stimme hart und drohend.
«Erfüllt?», knurrte er. «Sind Sie sich darüber im Klaren, dass Sie in ganz kurzer Zeit ein toter Mann sein werden?»
«Allerdings», erwiderte Achille mit tiefem Ernst, «darüber bin ich mir klar, Sie werden es wahrscheinlich nicht begreifen können, dass ein Mann willens sein könnte, einen Erfolg mit seinem Leben zu bezahlen. Es hat stets Männer gegeben, die ihr Leben im Kriege für ihre Heimat opferten, ich bin bereit, das meinige für das Fortbestehen der ganzen Welt zu opfern.» Obgleich ich keine Minute gezögert hätte, das Gleiche zu tun für die gerechte Sache, so traf es mich doch ziemlich hart, dass ich bezüglich dieses Punktes vorher nicht befragt worden war. Dabei erinnerte ich mich, dass Poirot mich immer wieder gedrängt hatte, im Hintergrund zu bleiben – nun auf einmal betrachtete man meinen Opfergang als Selbstverständlichkeit? Doch ich musste mich mit den gegebenen Tatsachen abfinden.
«Und wie stellen Sie sich das vor, dass Sie mit der Preisgabe Ihres Lebens etwas an dem Schicksal der Welt ändern könnten?», fragte Ryland höhnisch.
«Aus Ihrer Frage ersehe ich, dass Sie Hercules Pläne nicht durchschaut haben. Um gleich reinen Tisch zu machen, der Ort für Ihre hiesigen Unternehmungen war bereits seit einigen Monaten bekannt, alle Hotelgäste und Bediensteten sind Detektive und Mitglieder des Geheimdienstes. Eine Abriegelung des gesamten Bergmassivs ist in die Wege geleitet worden. Sie mögen so viele Fluchtmöglichkeiten erwägen wie Sie wollen, doch können Sie nicht mehr entweichen. Hercule Poirot selbst leitet außerhalb die erforderlichen Operationen. Die Sohlen meiner Schuhe wurden mit einem Anisöl-Präparat getränkt, bevor ich von meinem Zimmer wieder zur Terrasse herunterkam, um Hercules Platz einzunehmen. Es werden Spürhunde verwendet, um den jetzigen Ort meiner Anwesenheit zu ermitteln. Die Spur wird mit unfehlbarer Sicherheit an den Eingang des Felsenlabyrinths
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