Die Günstlinge der Unterwelt - 5
herauszufinden, wo seine Nachsicht endete. Vielleicht waren sie auch einfach deshalb gut gelaunt, weil sie zum ersten Mal tun und lassen konnten, was sie wollten, ganz nach ihrer Laune.
Richard zog auch die Möglichkeit in Betracht, daß sie ihn mit ihrem Spielchen prüfen wollten, ob er wahnsinnig geworden war. Mord-Siths waren nichts, wenn sie nicht durch Prüfungen ihre Erfüllung fanden. Es beunruhigte ihn, daß sie ihn möglicherweise für verrückt hielten. Der Weg, den er einschlug, war die einzige Möglichkeit, das mußten sie begreifen.
Hoffentlich war Gratch nur nicht auch so müde wie die anderen. Der Gar war erst am Morgen zu ihnen gestoßen, daher wußte Richard nicht, wieviel Schlaf er bekommen hatte. Seine leuchtenden grünen Augen jedoch wirkten wach und aufmerksam. Gars jagten meist nachts, vielleicht erklärte das seine Wachheit. Wie auch immer, Richard hoffte jedenfalls, daß der Gar wirklich nicht müde war.
Richard tätschelte den pelzigen Arm. »Komm mit, Gratch.« Der Gar kam auf die Beine, reckte die Flügel und ein Bein, dann folgte er Richard über die weite Marmorfläche zu einer der überbauten Treppen hoch auf den Balkon. Seine vier Aufpasser wurden augenblicklich wachsamer, als sich Richard in Bewegung setzte. Er gab ihnen ein Zeichen, sie sollten bleiben, wo sie waren. Egan und Ulic taten das auch, die beiden Frauen aber nicht, sondern folgten ihm statt dessen in einem gewissen Abstand.
Nur die beiden Lampen am Fuß der überbauten Treppe brannten, weshalb er wie durch einen dunklen Tunnel ging. Oben endete die Treppe auf einem breiten Balkon, der von einem geschwungenen Mahagonigeländer begrenzt wurde, von wo man den ganzen Hauptsaal überblicken konnte. An der Wand befanden sich runde Fenster, anderthalbmal so hoch wie er, in gleichmäßigen Abständen rings um den Raum verteilt. Aus einem dieser Fenster blickte Richard hinaus in die verschneite Nacht. Schnee. Das konnte Schwierigkeiten bedeuten.
Unten war das Fenster mit einem Messinggriff eingeklinkt, und zur Mitte beider Seiten hin war es an massiven Angeln aufgehängt. Er probierte den Griff und stellte fest, daß er sich leicht drehen ließ.
Richard wandte sich wieder zu seinem Freund um. »Gratch, ich möchte, daß du mir aufmerksam zuhörst. Es ist wichtig.«
Gratch nickte ernst und konzentriert. Die beiden Mord-Siths sahen aus dem Schatten am oberen Treppenabsatz zu.
Richard strich über die lange Haarlocke, die zusammen mit dem Drachenzahn an einem langen Lederband um Gratchs Hals hing. »Dies ist eine Locke von Kahlans Haar.« Gratch nickte, daß er verstanden hatte. »Sie ist in Gefahr, Gratch.« Gratch runzelte die Stirn. »Du und ich, wir sind die einzigen, die die Mriswiths kommen sehen.« Gratch knurrte und bedeckte die Augen mit den Krallen und linste zwischen ihnen hindurch – sein Zeichen für die Mriswiths.
Richard nickte. »Ganz recht. Sie hat keine Möglichkeit, sie kommen zu sehen, so wie du und ich, Gratch. Wenn sie hinter ihr her sind, wird sie sie nicht bemerken. Sie werden sie töten.«
Ein beklommenes, perlendes Heulen entwich Gratchs Kehle. Seine Miene hellte auf. Er streckte die Locke aus Kahlans Haar vor, dann trommelte er sich auf seine muskulöse Brust.
Richard konnte nicht anders, er mußte erstaunt lachen über die Fähigkeit des Gar, zu begreifen, was er von ihm wollte. »Du hast meine Gedanken erraten, Gratch. Ich würde selbst zu ihr gehen und sie beschützen, aber das würde zu lange dauern, und möglicherweise schwebt sie jetzt schon in Gefahr. Du bist groß, aber du bist nicht groß genug, um mich zu tragen. Das einzige, was wir tun können, ist, dich zu ihr zu schicken, damit du sie beschützt.«
Gratch nickte bereitwillig, mit einem Grinsen, daß man seine Reißzähne sah. Plötzlich schien er zu begreifen, was das bedeutete und schlang seine Arme um Richard.
»Grrrratch haaaach Raaaach lieeggg.«
Richard tätschelte dem Gar den Rücken. »Ich hab’ dich auch lieb, Gratch.« Er hatte Gratch schon einmal fortgeschickt, um dem Gar das Leben zu retten, damals hatte Gratch das aber nicht verstanden. Er hatte ihm versprochen, das nie wieder zu tun.
Er drückte den Gar fest an sich, bevor er sich von ihm löste. »Hör zu, Gratch.« Die leuchtenden grünen Augen wurden feucht. »Gratch, Kahlan hat dich ebenso lieb wie ich. Sie will genauso, daß du bei uns bist, so wie du willst, daß ich bei dir bin. Ich will, daß wir alle zusammen sind. Ich werde hier warten, und du wirst zu ihr
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