Die Gutachterin
roten Glutpunkt und das bißchen Zigarettenrauch und die weißen Mondrechtecke an der Wand.
»Ich liebe dich«, hörte sie ihn flüstern.
Sie schluckte. Und hatte Durst.
»Ich liebe dich sehr, mein Kleines.«
Natürlich, was sonst: mein Kleines …
Seine Hand tastete sich zu ihr herüber und knetete ihre linke Brust. Sie rollte sich aus dem Bett und lief zum Bad. Das Wasser peitschte ihre Haut, warm, kalt und wieder warm. Sie kauerte sich auf dem Rand der Duschkabine nieder, ließ sich überfluten und wußte nur eines: Nie wieder! – Ihr Gesicht hielt sie in beiden Händen, und während das Wasser durch ihr Haar und über ihren Körper flutete, stand sie plötzlich in den beiden leeren Räumen in der Korneliusstraße, im Frühherbst vor drei Jahren, sie war gerade dabei, mit Peter Aman ihre Gemeinschaftspraxis einzurichten. Außer Peters Computer und den beiden Schreibtischhockern gab es noch nichts im Raum. Und da hupte es. Zusammen waren sie ans Fenster getreten, und Peter hatte zuerst seinen runden, kahlgeschorenen Kopf hinausgestreckt.
Unten stand ein schwarzer Porsche. Aus dem Fahrerfenster schob sich Richards Gesicht. Nun stieg er aus.
»Der?« Peter Aman starrte aus seinen runden, klugen, wachsamen Augen hinunter.
Sie hatte nur genickt.
»Aber wieso eigentlich, um Himmels willen? Muß das sein?«
Ja – wieso eigentlich, um Himmels willen …?
Als sie wieder das Schlafzimmer betrat, in ihr Handtuch gewickelt, schlief Richard, den Mund leicht geöffnet, auf der Seite liegend, ein Leintuch über den Hüften. Sie betrachtete ihn lange. Die braune Haut, die Muskeln – Richard, das Prachtstück.
Nein, dachte sie und schlüpfte ins Bett: Es muß nicht sein.
* * *
Er hatte ihn gesehen, als er sich aus dem Wald löste, die Senke durchquerte und dann im Schatten der Apfelbäume sich dem Haus näherte. Eine Zeitlang hatte er sich hinter der Fliederhecke versteckt, um die Situation zu klären, und da stand er, ein hagerer Mann, einen Strohhut auf dem Kopf. Irgend etwas räumte er auf, marschierte zweimal durch den Hof, ließ das Wasser laufen und hielt die Hände darunter. Sein Gesicht war nicht zu erkennen, dazu war es bereits zu dunkel.
Er hatte gewartet und gegen das rauhe Brennen in der Speiseröhre angekämpft und gegen den Knoten, der sich in seinem Magen bildete. Er hatte lange gewartet, aber das machte ihm schon nichts mehr aus. Schwach, wie er war, kostete es ihn Mühe, die Augen offenzuhalten und nicht auf der Stelle einzupennen. Und es war kühl geworden.
Schließlich war das Backsteinhaus des Gärtners nur noch ein Schatten mit zwei hellgoldenen Vierecken. Im rechten flimmerte bläuliches Licht. Das war die Glotze. Na, wenn er die angeschaltet hatte, sah er nicht in den Hof, und er konnte sich weiter vorwagen.
Vorsichtig hatte er sich durch die Büsche gezwängt und auf das Geheul eines Hundes gewartet. Nur ein paar Hühner schienen unruhig, kein Hund, es gab nur noch ihn und sein pochendes Herz und diese verdammten Fenster dort drüben – und dann in der Ecke, gleich neben dem Garagenanbau, einen großen schwarzen Plastikkübel.
Ein Container! Mach keinen Blödsinn jetzt … Aber er hielt es nicht durch, konnte nicht anders, lief hin, zog den Deckel hoch; es stank verfault, egal, er griff hinein, seine Hände tasteten sich durch feuchtes Papier, irgend etwas Glitschiges, er zog die Hand zurück, es stank, Schweinerei – aber hier, er fühlte es mit den Fingerspitzen, ehe es ihm klar wurde: Bananen! Und sie schienen heil.
Daneben, was war das? Eine Büchse. Halb offen. Aber die Sardinen darin rochen noch frisch. Und hier ein Stück Brot. Und dies eine Plastiktüte …!
Er drückte seine Beute in die Tüte, ließ vorsichtig den Deckel zurückgleiten und lauschte wieder. Nichts war zu hören. Nur das Fernsehgemurmel drüben im Haus.
Auf Zehenspitzen lief er über den Hof bis zu einer Mauer, an der Brombeerbüsche wuchsen. Aus der Mauer schob sich eine Art Dach: Zwei Pfosten trugen gewelltes Eternit. Darunter Maschendraht, so verrostet, daß er sofort brach, als er daran zog.
Schnell schlüpfte er hinein. Es roch nach Hühnermist. Egal. Er hielt die Bananen in der Hand, seine Bananen, die Sardinendose, das Brot … Tränen traten in seine Augen, als er hinunterschlang, was er gefunden hatte.
Später, die Lichter drüben am Haus waren ausgegangen und die Luft war kühler geworden, fand Ladowsky dann die Feile: ein kantiger, langer, harter, verrosteter Stab, halb verborgen im pulvrigen
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