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Die Gutachterin

Die Gutachterin

Titel: Die Gutachterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Konnarz das Wort wie auf ein Stichwort hin aus: »Kreuz-Mörder«, sagte er, »wenn ich das schon höre … Glaubst du, daß Ladowsky es war? Glaubst du das wirklich?«
    Was glaubte er …? Es gab keine Glaubensfragen, aber ein kleines Kreuz gab es, und er sah es wieder: den silbern schimmernden, mit einem feinen, rötlichen Hauch von Blut überzogenen Plastik-Christus, der nun in der Asservatenkammer ruhte.
    Es hatte ein zweites Kreuz gegeben. Und sie hatten ihm ein Foto davon mit all den anderen Unterlagen zugefaxt. Auch dieses zweite Kreuz hatten sie auf der Brust eines jungen Mädchens gefunden – keiner Sechzehn-, einer Dreizehnjährigen …
    »Ladowsky vorne, Ladowsky hinten, die schmieren den doch durch die Zeitungen, als sei er Boris Becker. Viel zu einfach machen sich die Schreiberlinge das. Warum sollte es ausgerechnet dieses Schwein sein? Es laufen noch genügend andere von der Sorte herum.«
    Berling nickte.
    Die Straße zog sich über eine flache Hanggruppe. Rechts und links wuchs Wald.
    Er kaute auf dem Zahnstocher herum, den er sich in den Mund schob, wenn ihn die Lust nach einem Zigarillo überkam. Der Dicke neben ihm war ein alter Hase. Und auch er hatte das Wort ›Nachahmungstäter‹ als erstes auf sein Thesenpapier geschrieben. Aber was sollte das schon? Ein Mädchen war entführt, unter unsäglichen Umständen gefoltert und vergewaltigt worden, ehe ihm ein Zementblock Schädel und Gesicht zertrümmerte. Ob der Täter nun Müller, Maier oder Ladowsky hieß – er mußte, er würde ihn finden!
    Die Straße führte über eine flache Kuppe. Er erkannte die Landschaft wieder: Dahinter begann eine S-Kurve, und die endete in einer flachen Geländemulde …
    Dies war der Hügel. Und da kam die S-Kurve.
    Konnarz hob den Arm: »Dort?«
    Berling nickte. Ja, dort … Beim Kilometerstein 34 führte eine kleine, asphaltierte Stichstraße Richtung Osten, dem welligen Hügelgelände zu, das sich dann zu einem kleinen Bach senkte, an dessen Ufer der Killer mit dem Fiesta so dämlich in den Schlamm geraten war, daß er ihn nicht mehr herausgebracht hatte. Nachdem der Wagen festsaß, mußte er versucht haben, ihn anzuzünden. Aber auch das ging schief. Vielleicht war er dabei gestört worden, oder er hatte die Nerven verloren – jedenfalls war nur ein Teil der Sitze verkokelt.
    »Fahr weiter, Erich.«
    Konnarz warf ihm einen Blick zu: »Ja wohin denn?«
    »Sag' ich dir schon …«
    Es sah aus wie zuvor, ein welliges Waldgelände. Sie blieben auf der Landstraße, die nach Wächtersbach führte. In der Ferne erhob sich steil wie ein Finger eine weiße Dampfwolke über einem Zementwerk. Weiter rechts sah man einen hellen Streifen im Dunst. Das mußte bereits Wächtersbach sein.
    »Gib mir mal die Karte, Erich.«
    Konnarz blieb weiter stumm. Berling schob den Zahnstocher in den linken Mundwinkel und warf einen kurzen Blick auf die Straßenführung.
    »Kann nicht weit sein. Jedenfalls, bei der nächsten Abzweigung biegen wir dann nach rechts.«
    »Wohin?« fragte der Dicke zum zweitenmal.
    »Da liegt so ein Sanatorium, Erich. Vielleicht fünf Kilometer über die Kreisstraße dorthin, nicht weiter.«
    »Schloß Roßberg?«
    »Genau.«
    »Wie kommst du denn auf Roßberg, um Himmels willen? Da fahren doch Paraplegiker oder Spastiker im Rollstuhl rum.«
    Berling nickte und schwieg. Er dachte wieder an Ladowsky: Ludwig Ladowsky mit dem ordentlichen Wasserscheitel und dem freundlichen Jungengesicht, den alle, die ihn kannten, als hilfsbereit, unauffällig und liebenswert beschrieben hatten – selbst die Eltern der dreizehnjährigen Irmi. Die hatten ihn gekannt. Als sie bauten, hatte er ihnen das Material im Lieferwagen herangekarrt, zum Nulltarif, versteht sich. »Er machte immer einen so lieben Eindruck« – ja, ehe er ihre Tochter vergewaltigte, sie erwürgte und schließlich mit einer Plastiktüte erstickte …
    Irmi Meyser wurde ein Kreuz auf die Brust gelegt. Das erste.
    Vielleicht sollte er die Nachahmungsidee streichen.
    Vielleicht war es wirklich Ladowsky …
    Sie hatten die Kreuzung erreicht und nahmen die kleine, gewundene Straße nach Norden.
    Der Dicke blieb beharrlich: »Wieso ausgerechnet Roßberg? Früher war das mal ein schickes Kurhaus, aber jetzt ist es eine Landesanstalt. Und weißt du, was das heißt? Erbsensuppe und Beamte.«
    Berling nickte. Was sollte er auch antworten? Daß er sich an jede Möglichkeit klammerte, daß Ideen und Theorien sich am Ende doch meist in Luft auflösten, aber daß es ohne

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