Die gute Stadt Paris: Roman (German Edition)
Bruder François davon abgebenkannst, welcher weniger Leidenschaft besitzt denn ein Hering im Faß.«
»Er ist so ganz ohne Leidenschaft nicht«, sagte ich, »denn er träumt beständig von seiner Diane de Fontenac.«
»Träumen ist eine Speis ohne Würze, wenn am Ende nicht die Erfüllung stehet. Und wie sollte François die Tochter des ärgsten Feindes von Mespech je heiraten?«
Diese Worte ließen mich an meine Angelina denken und an das Hindernis, welches die Religion ihrer Eltern (obgleich sie mir recht zugetan waren) für unsere Liebe darstellte, und Trauer zog in meinen Sinn, so daß ich die Badestube gar nachdenklich verließ. In dem Verlangen, meiner »schwarzen Gedanken« ledig zu werden, lenkte ich meine Schritte nach dem Saale, darin der Gascogner Cabusse meinen Bruder François in der Fechtkunst unterwies; François grüßte mich mit dem Degen, wobei sein Gesicht jedoch ohne Lächeln blieb und sein Auge ohne Glanz, denn er empfand gar wenig Liebe für mich, ganz im Gegensatz zu meinem Halbbruder Samson, welcher sich bei meinem Anblick sogleich von seinem Schemel erhob, mich gar herzlich umarmte und wohl ein dutzendmal küßte; in seiner Schönheit, Stärke und Unschuld war er wie ein Engel Gottes anzusehen. Ich setzte mich zu seiner Seite nieder und schaute, seine Hand in der meinen haltend, auf François, welcher – um der Wahrheit die Ehre zu geben – nichts von Häßlichkeit an sich hatte: er war von kräftiger Gestalt, nicht ungeschickt, focht eine gute Klinge mit jeglicher Hand, hielt sich trefflich zu Pferde, war auch nicht von simplem Verstande, jedoch verschlossen, in sich gekehrt, undurchdringlich, über alle Maßen nachtragend, höchst dünkelhaft ob seines Ranges als Erbe der Baronie, hochmütig gegenüber unseren Leuten und zu Lebzeiten meiner armen kleinen Hélix voller Geringschätzung für meine Zuneigung zu ihr, wie er seinerseits einer nahen Gefährtin von niederem Rang seine edle, unerfüllbare Liebe vorzog.
Und unerfüllbar war sie gewißlich, denn der raubsüchtige Baron de Fontenac, dessen Ländereien den unseren benachbart waren, erträumte, ersehnte und erstrebte nur unsere Vernichtung, welchselbige Gesinnung er jedoch unter dem Deckmantel der Religion verbarg, denn er war Papist. Zwar war ihm sein Eheweib mit ihrer sanften, christlichen Sinnesart nicht ähnlich,und seine Tochter kam – Gott sei’s gedankt – der Mutter nach. Allein, was konnten die beiden armen Frauenzimmer ausrichten gegen diesen wütenden Eber? Er wollte mit einem Streich seinen Vater rächen, den die Brüder für seine Untaten hatten verbannen lassen, und gleichzeitig unsere schönen Ländereien sich einverleiben, welche ihn, vereinigt mit den seinen, zum mächtigsten Baron im ganzen Sarladischen Land gemacht hätten.
Eine Zeitlang hatte man in Mespech an eine Aussöhnung geglaubt, als nämlich Diane mit der Pest darniederlag, kein Medicus aus Sarlat sich dem Schloß auch nur nähern wollte und Fontenac meinen Vater in einem Brief gebeten hatte, daß er sie behandeln möge, worin mein Vater einwilligte unter der Bedingung, daß dies in Mespech geschähe; daselbst ließ er ihr, abgesondert in einer Kammer des Torhauses, eine so treffliche Behandlung angedeihen, daß sie geheilet ward, jedoch bei ihrem Abschied eine unheilbare Wunde in François’ Herz hinterließ.
Leider hatte der Hundsfott von Fontenac nicht einmal die Dankbarkeit eines Hundes: sobald der Bruderkrieg unter den Untertanen ein und desselben Königs von neuem ausbrach, erhielten wir Kunde, er habe Sprache gehalten mit mehreren Adelsherren katholischen Glaubens im Sarladischen Land, welche er zu überreden versuchte, daß sie ein Bündnis schließen sollten zu dem Zwecke, Mespech anzugreifen und dieses »Ketzernest« zu zerstören, welcher Versuch überall auf Ablehnung gestoßen war, so sehr wurden die Herren Brüder geschätzt und so wenig er selbst. Puymartin (er war, obwohl Papist, gut Freund mit uns, da er an unserer Seite gegen den Schlächterbaron zu Lendrevie gekämpft) hatte uns als erster Mitteilung gegeben von dem Ränkespiel Fontenacs und uns bedeutet, wir sollten auf der Hut sein, denn nachdem der Versuch der offenen Aufwiegelung gegen uns fehlgeschlagen, stand zu befürchten, daß der Schurke seine Zuflucht zu Heimtücke und Hinterhalt nähme.
Diese Mitteilung, welche uns ein Reiter am 16ten Februar überbrachte, veranlaßte uns zu verdoppelter Wachsamkeit. Hatten wir schon vorher unsere schützenden Mauern kaum
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