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Die guten Schwestern

Die guten Schwestern

Titel: Die guten Schwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leif Davidsen
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galt als blendende Studie über die Stagnationsphänomene der Breschnew-Ära. Sie wurde in allen internationalen historischen Zeitschriften zitiert und hatte mir 1981 eine Gastvorlesung in Harvard beschert, ein Jahr vor dem Tod des alten Drecksacks. Leider führte meine Dissertation zu dem Schluß, daß die Kraft des Sowjetsystems stärker sei als seine strukturellen Schwächen. Reform sei möglich. Die SU werde gestärkt ins nächste Jahrtausend gehen. Die bipolare Welt mit den beiden großen Gegenspielern USA und Sowjetunion werde Bestand haben.
    Gorbatschow schenkte mir ein paar gute Jahre, aber dann war Schluß mit den Einladungen der großen Universitäten in Europa und den USA. Dann saß ich nicht mehr täglich im blauen Studio der Fernsehnachrichten, um auf die sorgfältig einstudierten Fragen der Moderatoren kurze und präzise Antworten zu geben. Und zwar, weil die ganze Scheiße zusammengebrochen war! Ich hatte mich einfach geirrt! Und das wußten die Kollegen natürlich genau, auch wenn die Journalisten eine Doktorarbeit, die die falschen Schlüsse zog, nicht genau unter die Lupe nahmen. Aber die Kollegen, die hatten ein Gedächtnis wie Elefanten, das wurde mir wieder klar, als ich ihr kaum unterdrücktes, höhnisches Kichern hörte, nachdem der frühere Ministerpräsident seinen stichelnden Kommentar abgesondert hatte. Sie wußten, und ich wußte es auch, daß ich, als meine hochgelobte Dissertation fertig war und ich mich Dr. phil. nennen durfte, noch zu jung war und außerdem auch keine Professorenstelle frei war. Und heute war es zu spät. Mein Wissen war schlicht veraltet. Nie mehr würde ich mich mit dem ersehnten Professorentitel schmücken können. Bis ans Ende meiner Tage, bis zu meiner guten Rente, würde ich mich mit dem Titel Akademischer Rat für Geschichte begnügen müssen. Und tagtäglich in die Betonhölle der Kopenhagener Universität auf Amager fahren müssen, wo die Gedanken, die dort gedacht wurden, häufig genauso flach waren wie die häßlichen Seminarräume niedrig. Hier ging Teddy, wie ich von ganz oben bis ganz unten genannt wurde, und tat sich selber leid, auch wenn er es natürlich nicht zeigte. Hier versuchte Teddy halbherzig zu unterrichten und zu forschen, um wenigstens hier und da mal einen wissenschaftlichen Artikel veröffentlichen zu können. Hier betreute Teddy die kommenden Generationen, damit sie die Bastionen der Macht übernehmen konnten. Hier ging Teddy, ein akademisches Überbleibsel, dem die Gesellschaft aus irgendeinem seltsamen Grund noch immer Gehalt zahlte. Und ein gutes Gehalt.
    Ich lag auf dem Bett und schäumte vor Wut, und der Alkohol ließ meine ohnehin schon ausgeprägte Fähigkeit, mich und mein Leben als Martyrium zu sehen, größer werden und die Macht übernehmen. In Wirklichkeit hätte ich der Leiter der Delegation sein sollen. Statt dessen war ich nur ein Teilnehmer, der selber zahlte, auch wenn ich bestimmt einen Weg finden würde, daß das Institut mir den Löwenanteil erstattete.
    Wir waren etwa vierzig Leute und mit der Dänischen Außenpolitischen Gesellschaft unterwegs. Der Großteil waren ältere Kurgäste, die auf diese Weise eine Reise nach Mitteleuropa in geordneten kulturellen Verhältnissen bekamen. Man war doch kein simpler Chartertourist, beileibe nicht. Wenn man reiste, dann um sich zu bilden! Sechs von uns sollten auf den verschiedenen Symposien und bei Begegnungen mit Politikern, Journalisten und Beamten selbst Vorträge halten. Es sollte um den zehnjährigen Jahrestag der Umwälzung Ost- und Mitteleuropas gehen, da aber einige Tage nach Reisebeginn die Flugzeuge der NATO Jugoslawien bombardierten, kreisten die Gespräche gezwungenermaßen oft um den Krieg, den wir nicht Krieg nennen durften. Eigentlich waren wir uns völlig einig, daß das Vorgehen der NATO der einzig logische Schritt war, aber nur zu spät gekommen war. Bloß um dagegen zu sein, behauptete ich hartnäckig, daß es unmoralisch sei, kein Heer einzusetzen. Daß das nur den tiefsitzenden Egoismus und die Verzärtelung des Westens zeige, der mehr daran interessiert sei, das eigene Leben zu retten als anderen den Tod zu bringen. Unser Krieg sei eine logische Folge unserer Zivilisation. Die Sicherheit der Piloten bedeute mehr als die Leiden der Kosovo-Albaner. Wir könnten keine Toten ertragen. Unsere Politiker könnten den Tod westlicher Männer nicht akzeptieren und wollten nicht, daß die Medien Bilder von ihnen brächten. Wir wollten einen Comic-Strip-Krieg. Eine

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