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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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in der Mitte. Dann ging er zu dem Mädchen. –Nein, bettelte Isabelle, weinte, ohne sich zu bewegen. –Nein? grinste Jim, aber helfen wirst du ihr nicht, oder? Vom Fleck rühren wirst du dich ihretwegen nicht? Hastig fingerte Isabelle die Knöpfe ihrer Bluse auf, streifte den Rock, die Unterhose ab, verhakte sich in den Sandalen, saß nackt auf dem Boden. –Will ich nicht, beschied Jim, nachdem er sie gemustert hatte. Die linke Hand fuhr in ihr Haar. Er zog straff, soviel er davon halten konnte, stellte den Fuß auf ihre Schulter, um sie am Aufstehen zu hindern, setzte die Klinge am Scheitel an, machte eine rasche Bewegung. Ließ das abgeschnittene Haar achtlos fallen. –Gut so, sagte er, als hätte er endlich gefunden, was er suchte. –Jetzt kann dein Mann dir wenigstens einmal ansehen, daß du etwas erlebt hast. Er stand da, müde. Dann ging er ins Schlafzimmer, kam mit einer Jacke überm Arm zurück, zögerte kurz, raffte mit zwei Handbewegungen ihre Kleider zusammen und hob sie auf, ging zur Tür, griff seine Tasche und ging zur Tür hinaus. Er schloß von außen ab. Sie sah durchs Fenster, wie er die Treppen hinaufstieg, seine Beine, dann nur noch seine Füße, die Kleider, die zu Boden fielen. Von draußen hörte man einen Vogel, die Kinder nicht mehr.

38
    Wie ein Tier verkroch sich das Mädchen hinter dem Sofa, als Isabelle aufstand, ihr war kalt, sie schaute sich um, sah eine Decke, aber es ekelte sie, etwas anzufassen, ziellos ging sie hin und her, dann ans Fenster, sah die Kleider, wo Jim sie hatte fallen lassen, ein älterer Mann, anscheinend einer der Hausbewohner, öffnete das Törchen, blickte irritiert auf den Haufen, schob ihn mit einem Fuß zur Seite. Sie klopfte, nackt wie sie war, nicht ans Fenster, streckte sich aber, als er im Haus verschwunden war, nach dem Sicherheitsriegel und probierte, ob sich das Fenster hochschieben ließ. Es würde leicht sein hinauszuklettern. Sie schloß es wieder, zog den Vorhang halb zu, damit man sie nicht sehen konnte. Vom Sofa kam ein leises, gleichmäßiges Geräusch, Isabelle beugte sich vor, wo zwischen Lehne und Wand Sara kniete, ein Stück von der blauen Jacke im Mund, lutschend, kauend, das Gesicht verschwollen. Es war so still. Isabelle kam es vor, als ob einzig Sara sie daran hinderte zu gehen. Alle weiteren Schritte waren klar und einfach, sie mußte im Schlafzimmer nach etwas zum Anziehen suchen oder warten, bis es dunkel war, hoffen, daß niemand die Kleider fortnahm, dann nackt die wenigen Stufen hinauflaufen, die Kleider holen. Sie mußte das Kind zum Arzt bringen. Am Ende würde sie all das getan haben, wußte sie, es war sinnlos, etwas aufzuschieben. Aber es war nicht dunkel, und sie stand da, zitternd, wünschte, sie könnte dem eigenen Körper ausweichen, den sie vor sich sah wie auf den Fotos von Alexa, nackt und fremd.
    Sara kroch hinter dem Sofa vor, einen Zipfel der Jacke fest in der Hand. –Dave, sagte sie, ohne aufzuschauen. Isabelle roch den Urin, bevor sie den dunklen Streifen auf dem Teppich sah. –Polly, sagte Sara und fing an zu weinen, lautlos, die Tränen liefen aus ihren Augen, als würde sie es nicht bemerken, Isabelle hörte, wie sie auf den Teppich tropften, wo die Schnipsel des Umschlags, der Farbfotos verstreut lagen, Büschel von ihrem Haar.
    Im Schlafzimmer fand sie auf dem Bett ein T-Shirt und eine Jeans, beides schmutzig, Jims Geruch so intensiv, daß sie würgte, aber sie schlüpfte herein, hastig, spürte an ihrer Scham den harten Stoff, die Hose mußte sie hochkrempeln, am Bund mit der Hand festhalten, da war kein Gürtel, noch ein Unterhemd, das sie für Sara mitnahm ins Bad, wo sie kein Licht anschaltete, und sie mußte rufen, Saras Namen rufen. Aus einer der oberen Wohnungen hörte man ein Radio, viel zu laut, eine Stimme, die hell jubelnd aufstieg, irgendeine Arie, dann setzte das Orchester ein, jemand schrie etwas, und das Radio wurde leise gestellt. Über dem Rand der Badewanne lag ein Handtuch, sie hielt eine Ecke unter das warme Wasser, wollte rufen, aber es gab nur ein kleines, ängstliches Ausatmen, sie hielt die Hand vor die Augen, preßte sie gegen die Stirn, als hätte irgend etwas in ihrem Inneren sich gelöst, als zerbreche es, etwas, das man nie aufsammeln und kleben würde, weil man zu müde oder zu ratlos war, weil man wußte, daß ein Stück doch fehlte, daß es sich nie zu dem zusammenfügen würde, was man gewollt hatte. Jakob, dachte sie vorsichtig, als könnte er ihren Gedanken hören und sie

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