Die Habenichtse: Roman (German Edition)
Universal Music rief wöchentlich an, ein neues Magazin wollte ein Layout, ein Kinderbuchverlag bat um Illustrationen. Im Winter würden sie nach London ziehen, und Isabelle sagte, daß sie weiterarbeiten werde wie bisher auch. Mittags blieb sie manchmal zu Hause, saß auf dem Balkon in der Hitze, schickte die Zeichnungen per Mail ins Büro oder an die Kunden; Jakob hatte ihr den großen Zeichentisch gekauft. Sie lief auf die Straße und zu dem Schülerladen um die Ecke, beobachtete die Kinder, die aus der Tür rannten, die Bürgersteige anmalten, gegen vier Uhr abgeholt wurden oder mit Ranzen und Fahrrädern verschwanden, ein kleines Mädchen blieb immer zurück, weil sie nicht schnell genug rennen konnte, und versteckte sich in einem Hauseingang, bis alle weg waren.
Sie wollten ohne großes Fest heiraten, auf dem Standesamt, nur mit den Trauzeugen Ginka und Hans, aber sogar Alexa protestierte, und deswegen würde es doch eine Party geben, ein Picknick im Park, ohne Eltern, sagte Isabelle und fuhr nach Heidelberg, um ihnen die Nachricht zu überbringen.
Das Haus, die graue Schuhschachtel, von falschem Wein fast überwuchert, sah freundlich aus, und als das Taxi hielt, trat ihre Mutter aus dem Haus, lief mit blassem Gesicht zu ihrer Tochter und umarmte sie heftig. –Mami, ich heirate doch nur, sagte Isabelle, und ihre Mutter lachte, es klang, als zerrisse ein Stück Stoff. Der graue Steinfußboden glänzte, das Wohnzimmer, in dem der Flügel gestanden hatte, schien wieder leer wie damals, als ihre Mutter stumm in ihrem Zimmer gelegen, in dem Mimsel, die Kinderfrau, Isabelles Tränen mit Bonbons und Scherzen zu trocknen versucht hatte, verschüchtert und stumm hatte Isabelle gekauert, wo der Flügel gewesen war, und wie ein Racheengel hatte Mimsel vor der Tür ihrer Dienstherrin gestanden und geflucht. –Habt ihr ein Bier? fragte Isabelle, während der Blick ihrer Mutter über den kurzen Rock, die gecrashte Bluse wanderte, über den Körper, der neben ihrer eigenen Magerkeit füllig schien und renitent. Frau Metzel schickte ihre Tochter hinauf, damit sie sich frisch machte, und ging zum Telefon, um ihren Mann zu informieren. –Dein Vater, sagte sie, als Isabelle die Treppe wieder herunterkam, bringt Champagner mit, auf dem Glastisch vor dem schwarzen Sofa standen zwei Gläser mit Campari, ein Krug mit Orangensaft. Du wirst uns ja nicht zu deiner Hochzeit einladen, wiederholte Frau Metzel fügsam, und Isabelle dachte, daß sie morgen in Frankfurt aussteigen würde, um ihren künftigen Schwiegervater kennenzulernen, auch er nicht zur Hochzeit eingeladen, denn es würde nur ein Picknick geben, das war alles. Und dann kam ihr Vater, umarmte sie, als wäre er auf sie stolz, –meine große Tochter, und er lächelte beim Essen, als säße er alleine in einem Restaurant, während Isabelle die Gläser streichelte, die sie als Kind nicht hatte anfassen dürfen.
Es ist alles zufriedenstellend verlaufen, erzählte sie Jakob, und später würden ihre Eltern sie besuchen, in Berlin oder in London, man könnte an Weihnachten nach Frankfurt oder Heidelberg fahren, das junge Paar, spottete Alexa, aber auch sie war bei der Hochzeit gerührt, denn nicht weit vom Springbrunnen stand ein langer Tisch, eine Tafel, für die Andras gesorgt hatte, weiße Damasttischtücher seiner Tante, und Hans hielt eine Rede. Sie waren Freunde, und Isabelle drehte vorsichtig den Ehering hin und her, so vorsichtig, als wäre ihr Finger plötzlich zerbrechlich, sie lächelte Jakob an, er hatte gewartet, all die Jahre, und als es dunkel wurde, brachte Ginka Windlichter. Hans versuchte auf dem Brunnenrand einen Handstand, er war betrunken und fiel ins Wasser, Alexa und Clara nahmen Isabelle in die Mitte, Jakob fotografierte, und endlich wikkelten sie sich in Decken, weil es kühl wurde, weil es dämmerte, sie würden abwarten, bis die Sonne aufging. Der Sommer ging zu Ende, die Bäume in der Wartburgstraße verloren ihre Blätter, Ginka sagte, daß es der schönste Sommer seit langem gewesen war, und alle stimmten ihr zu.
15
Ein Vogel saß auf der Fensterbank, flog auf, taumelte gegen die Scheibe und verschwand unbeschadet. Andras ging ins Badezimmer, blickte in den Spiegel, der voller kleiner, weißer Flecken war, Rasierschaum, Zahnpasta, er überlegte, sich ein zweites Mal zu rasieren und betrachtete das gestreifte Hemd, dessen Streifen sich, als er die Arme hob, verschoben, rosa, hellblau, grün, dachte an diese wiedererwachte Eitelkeit, die ihn
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