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Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Die Habenichtse: Roman (German Edition)

Titel: Die Habenichtse: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hacker
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hellen Körper durch das dichte Laub aufblitzen und verschwinden, und Ben händigte Jim aus, was Albert ihm aufgetragen hatte, in einer Plastiktüte, ein kleines Päckchen, darüber Zeitschriften und Süßigkeiten, –mach’s simpel, je simpler, desto besser, und eine Nachricht an Jim, die Adresse seines neuen Büros, wie Albert schrieb, in Brixton, und daß er ihn dort erwarte. Das Geld war in Jims Tasche, in einem Umschlag, ein lächerlich kleiner Betrag, zwanzig Pfund in Pfundnoten, Ben bewegte sich unruhig hin und her, und Jim grinste. Es war kindisch, Albert zu hintergehen, er würde Ben anschreien, und wenn Jim sich nicht meldete, würde es Ärger geben. Jim nahm die Tüte, streckte Ben den Umschlag entgegen und rannte los. Kindisch, lohnte die Anstrengung nicht, auch wenn es lustig war, Ben hinter sich keuchen zu hören, beleidigt, überrascht, und jetzt mußte der Dicke rennen, hinter Jim her, mit rotem Gesicht, Jim drehte sich noch einmal um, winkte und rannte dann weiter, leichtfüßig, voller Haß. Große Scherereien würde Albert nicht machen, denn Jim war trotzdem ein zuverlässiger Partner, einer der wenigen, seit alle auseinandergelaufen waren, seit sie aus King’s Cross von den Baggern und Lastwagen und Ingenieuren vertrieben worden waren, worüber Albert jammerte, als wäre King’s Cross das Wohnzimmer seiner Großmutter gewesen, als hätte er sich nicht längst in Clapham und Holloway und Brixton, in Camden eingerichtet. Jetzt konnte er Bens Schnaufen nicht mehr hören, er drehte sich um, der Mann suchte Deckung, obwohl sein rotes Gesicht ihn von weitem verriet, während Jim als Jogger durchgehen konnte, der den Park jetzt verließ, leichtfüßig über die Straße, an den weißen, halbhohen Wohnblocks vorbeilief, die angeblich besser gebaut waren als die Kästen der sechziger, siebziger Jahre. Ein Taxi versperrte die Straße, Autos hupten, ein Mann stieß den Kopf aus dem Fenster, brüllte unflätig, und Jim lachte. Die Wohnung war perfekt, Ben durfte keinesfalls davon wissen. In den Höfen würde er ihn abhängen, dort, wo sie jetzt Sportstudios und ein Restaurant bauten, Jim kannte die Schuppen und Ateliers, irgend jemand hatte dort eine Druckerwerkstatt eingerichtet, vor ein paar Wochen hatte Jim dort drei Briefchen verkauft, die er einem überraschten Typen in Camden Lock aus der Hand gepflückt hatte. Es gab eine kleine Straße, die einen Bogen machte und fast gegenüber der Kentish Town Station mündete, dort, wo die Straße anstieg, sich zu einem kleinen Platz erweiterte, der ohne erkennbaren Grund von einem Glasdach überwölbt war, von grünen Metallsäulen getragen, als hätte man den winzigen Abkömmling einer Markthalle bauen wollen. Auf den Bänken saßen aber nur Penner, hielten Bier- oder Ciderdosen in den Händen, prosteten den Passanten jovial zu, den Schulkindern in grünen oder schwarzen Jacken, karierten Faltenröcken, hievten sich mühsam bis zum Eingang der U-Bahn, wo sie Issue verkauften, um Fahrkarten bettelten, eine ekelhafte Bande, zu der auch die Frau gehörte, die einen langen, leichten Sommermantel trug und ihn anlächelte, er grinste zurück, trabte die Leighton Road hinauf, tauchte links in die Seitenstraße und schaute sich noch einmal um. Ben war abgehängt. Das fette Schwein. Es war nicht nur wegen Mae. Er hatte Ben und Albert und die anderen satt. Er hatte die Polizisten satt, die herumscharwenzelten, als verhinderten sie, daß alles in die Luft ginge, Häuser, die Menschen, Menschenteile, abgerissene Beine, er hatte es satt, daß nichts geschah. Er hatte die Teenager satt, die von weiß Gott woher mit dem Zug ankamen, auf der Suche, gierig und verdorben, die Mädchen, die um einen Drink bettelten, einen Schuß, und dann verschwanden oder in Hauseingängen hockten, zusammengekauert, verdreckt. Er hatte Angst, Mae dort zu finden, dort, wo sie gewesen war, bevor Albert sie aufgesammelt hatte. Ohne Mae würde er aus London nicht weggehen. Aber er wollte seine Ruhe haben. In seinem Hirn blitzte etwas auf, immer wieder, und dann fehlten ganze Stunden oder Tage, aber trotzdem war da ein weißes, gleißendes Licht, er mußte es nur finden, mußte Mae finden.

13
    Die Regentropfen waren zu langen Streifen zusammengelaufen, die Streifen angeschwollen, sie hatten Ausbuchtungen, dicke Knoten gebildet, die platzten und auseinanderrannen, in dünnen, hastigen Fäden, deren Spitzen giftig aussahen, doch das täuschte, denn meist wurden sie von einem breiteren, viel

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