Die Hallen der Unendlichkeit (German Edition)
Frauen auf der Straße zusammenstanden und tratschten, ihren Klatsch aber unterbrechen mussten, weil Lubronski vorbeidonnerte – das Motorengeräusch spürte man als Vibration im Magen – um dann dem merkwürdigen Mann hinterher zu sehen und hinter der vorgehaltenen Hand zu munkeln, was dieser Kerl wahrscheinlich schon alles so verbrochen hatte. Aber er war eben tatsächlich unheimlich, und auch jetzt fühlten sich die Jungen unter seinem Blick unwohl. Je näher sie kamen, desto deutlicher glaubten sie die düstere Aura dieses Mannes zu spüren.
Sie merkten, als sie ungefähr noch fünfzig Meter von ihm entfernt waren, dass er gar nicht auf sie starrte. Er sah vielmehr über sie hinweg auf etwas, was sich hinter ihnen befinden musste. Was gaffte der Kerl denn bloß so intensiv an? Sie vermieden es, ihn direkt anzublicken und waren entschlossen, wortlos und ohne Blickkontakt an ihm vorbei zu fahren.
Und dann wären sie beinahe das zweite Mal an dieser Stelle von ihren Fährrädern gefallen. Lubronski sprach sie nämlich an. Die Tatsache an sich war schon ungeheuerlich, aber der Inhalt der Worte wirkte auf Lars und Mike wie eine Eisdusche.
Als sie genau auf seiner Höhe waren und das Backsteinhaus und seinen Bewohner schon fast hinter sich glaubten, rief er ihnen zu: „Hey, Jungs! Sagt mal, habt ihr eine Ahnung, wo Schlicherum geblieben ist?“
Ein merkwürdiger Bundesgenosse
Lars und Mike hielten an, sahen verdattert auf den älteren Mann und bemerkten erst jetzt, dass er nicht grimmig in die Landschaft blickte, sondern eher verunsichert zu sein schien. Dennoch waren sie beide zunächst einmal um Worte verlegen. Konnte es nicht sogar sein, dass sie sich verhört hatten? Musste so sein! Es war absolut ausgeschlossen, dass der verrückte Lubronski sie angesprochen hatte.
„Was ist los mit euch? Habt ihr die Sprache verloren?“
Das klang nicht einmal unfreundlich, sondern eher leicht verwirrt. Mike machte den Versuch etwas zu sagen und stotterte: „Entschuldigung, wa … was ha … haben Sie eben gesagt?“
„Habt ihr Jungs eine Ahnung, was mit Schlicherum passiert ist?“
Dass der verrückte Lubronski ebenfalls Schlicherum vermisste machte ihn den beiden Jungen ein wenig sympathischer und nahm ihnen zunächst einmal die Scheu vor diesem Mann. Mike sagte voller Hoffnung: „Sie wissen noch von Schlicherum?“
Lubronski nickte knapp mit zusammen gekniffenen Augen und ließ seinen unergründlichen Blick auf Mike ruhen, der daraufhin verstummte.
Lars hatte weiche Knie, aber er ergänzte: „Sie werden es vielleicht nicht glauben, aber Schlicherum ist nicht nur verschwunden, sondern es kann sich außerdem keiner mehr daran erinnern!“
Lars und Mike erwarteten nun eine sehr unfreundliche Antwort, denn der merkwürdige Mann mit dem schlechten Ruf und der düsteren Ausstrahlung musste nun zu dem Schluss kommen, dass er verschaukelt werden sollte. Umso größer war ihre Überraschung, als Lubronski leise murmelte: „Seit ich feststellen musste, dass der Ort einfach wie vom Erdboden gefegt ist und mein Haus sich drastisch verändert hat, kann ich so einiges glauben.“
Er lauschte dann aufmerksam den Schilderungen von Lars und Mike, die mehr und mehr ihre Unsicherheit verloren, sah dabei immer wieder in die Ferne, wie er es auch vorhin getan hatte. Dabei nickte er schließlich vor sich hin, als sei ihm soeben etwas klar geworden.
„Und die ganze Sache ging los, als euch eine ganze Menge Blitze des Unwetters eingekesselt hatten?“, fragte er nach, wobei sein hageres Gesicht einen tief nachdenklichen Ausdruck zeigte. „Und das geschah genau hier vor diesem Haus, habe ich das richtig verstanden?“
Lars und Mike bejahten. Endlich jemand, der ihr Schicksal und die damit verbundenen Probleme verstehen konnte. Sie fühlten sich bereits erheblich besser, auch wenn eine Lösung ihrer Schwierigkeiten dadurch noch keineswegs in Sicht war.
„So, und niemand kann sich an Schlicherum erinnern?“, murmelte er. „Es hat nie existiert! Das ist ja verrückt!“
Lars wollte nun ebenfalls etwas wissen. „Wieso wissen denn Sie von Schlicherum?“
„Ja, genau!“ Mike heftete einen fragenden Blick auf Lubronski. „Was macht Sie so anders als die andern Leute hier?“
Lubronski winkte den Jungen zu. „Kommt mal mit, ich will euch etwas zeigen!“ Damit ging er die zwei Stufen hinunter und wandte sich zu dem hölzernen, scheunenartigen Anbau, den er als Garage benutzte. Er öffnete das zweiflügelige
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