Die Heidehexe - Historischer Roman
Lebenswandel wie du führen. Liebhaber tauschen wie schmutzige Hemden, meinen Sohn im Keller verstecken und die Tochter zu Pflegeeltern geben, damit ich ungestört meinen Affären huldigen kann. Weißt du, wie ich bei der Abdeckerfamilie gelitten habe? Mich vor Sehnsucht nach dir verzehrte und nach Bernhard, den du wie ein Tier an sein Bett gefesselt hast, wenn deine eitlen Gecken dich bestiegen?“
„Isabella, wie sprichst du mit deiner Mutter? Mir scheint, dass du nicht weißt, wen du vor dir hast.“ Rubina war empört. Mehr als über die patzigen Worte der Tochter, erschrak sie jedoch über den Hunger nach Leben, der ihr aus blauen Augen entgegenschrie. So heftig, dass der hastig darüber gesenkte Wimpernkranz ihn nicht verdecken konnte.
„Du bist nicht anders als ich“, flüsterte sie, kaum hörbar. „Die Leidenschaft wird dich ebenso zugrunde richten, wie sie mich vernichtete.“
„Ich bin nicht wie du. Wie oft muss ich das noch betonen? Wenn ich mein Herz verschenken würde, dann für ewig. Keinen anderen Mann könnte ich nur eines Blickes mehr würdigen. Allerdings müsste es ein besonderer Jüngling sein, um mich in ihn zu verlieben. Ein Recke, der mutiger und stolzer ist als alle anderen auf Erden. Ich fürchte, einen solchen gibt es nicht. Deshalb werde ich wohl eine alte Jungfer werden.“ Isabella lachte verlegen.
„Auch ich habe mein Leben lang nur den Grafen von Grimmshagen geliebt. Fünf Jahre waren wir ein Paar. Immer hoffte i ch, dass er mich heiraten würde, war ich doch eine Ziehtochter des dänischen Königs. Obwohl ich keiner adligen Familie entstammte, hatte mir die Königin bereits einen älteren, verwitweten Fürsten ausgesucht, der mich liebend gern zur Frau nehmen wollte. Der Termin der Hochzeit stand fest, als mir der Graf auf besagter Verlobungsfeier Elisabeths über den Weg lief und mein Herz in Flammen setzte. Ihn, nur ihn wollte ich ehelichen. Und er hat mir geschworen, dass ich seine Gräfin würde.“
Isabella lächelte spötti sch und stichelte: „Daraus ist ja wohl leider nichts geworden, sonst säßen wir heute nicht hier.“
„D ie vom Standesdünkel zerfressenen Eltern haben es nicht zugelassen. Er wurde von der Mutter gezwungen, seine eigene Nichte zu ehelichen. Selbst als er mich zu Beginn meiner Schwangerschaft verstieß, um die von den Eltern Erwählte zu heiraten, liebte ich ihn weiter, konnte Sehnsucht und Verlangen nicht aus meinem Herzen verbannen. Besonders schmerzte es, dass seine Gattin nur wenige Tage nach meiner Entbindung ebenfalls niederkam und einem Stammhalter das Leben schenkte. Der Graf war also bereits während unserer Beziehung mit ihr intim.“
„ Wie gemein. Aber warum die vielen Liebhaber, Mutter?“, fragte Isabella, die von Rubinas Erzählung sichtlich beeindruckt war.
„Weil ich nicht arm sein wollte. Mich vor Geldnot fürchtete wie Satan vor dem Wort des Heiligen Geistes. Habe in früher Kindheit zu oft hungern müssen.“ Rubina schluchzte. „Wenn ich sterbe, Isabella, bist du reich, sehr reich. Ich habe die Schätze, die mir meine Buhlen für die Liebesdienste schenkten, gehortet, damit du deinen Körper nie zu verkaufen brauchst. Rein und mit erhobenem Haupt sollst du durchs Leben schreiten können. Ob du es tun wirst, bleibt dir überlassen.“
Isabella schwieg. Zu viel Neues stürmte auf sie ein. Sie sah ihre Mutter unvermittelt in einem gänzlich anderen Licht. Das verwirrte sie, ließ die Gedanken sich überschlagen.
„Warum bist du eigentlich im königlichen Schloss Dänemarks aufgewachsen, und weshalb ist die Fürstin von Braunschweig-Wolfenbüttel deine Freundin, wenn du doch einem armen Elternhaus entstammst?“ Nie hatte Isabella gewagt, danach zu fragen, obwohl es sie von jeher verwundert hatte. Jetzt, da die Mutter ihren nahenden Tod angekündigt hatte, musste sie sich ein Herz fassen, falls sie etwas in Erfahrung bringen wollte, und schleuderte ihr deshalb die Sätze entgegen.
Rubina lehnte sich zurück, schloss die Augen.
„Als ich sieben Jahre alt war, habe ich dem kleinen Kronprinzen Christian das Leben gerettet. Man sagt, wer ein Königskind dem Tode entreißt, wird selbst ein Königskind. Darum haben mich seine Eltern in ihrem Schloss aufgenommen und wie ihre eigenen Töchter erzogen.“
Isabella staunte mit offenem Mund. Ihr wurde einiges klar. Bisher hatte sie geglaubt, dass es reine Phantastereien gewesen waren, wenn die Mutter vom Leben am Hofe des Dänenkönigs geschwärmt hatte. Jetzt wusste sie,
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