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Die Heidehexe - Historischer Roman

Die Heidehexe - Historischer Roman

Titel: Die Heidehexe - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gloria Frost
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    Gloria Frost
    Die Heidehexe
    E-Book Juli 2013
    © Gloria Frost
    Titelbild: John William Waterhouse
     
     
     
    Das sind die Starken,
    die unter Tränen lachen,
    eigene Sorgen verbergen
    und andere glücklich machen.
    Franz Grillparzer
     
     
     
    Die Heidehexe
     
    Isabella kniete am Ufer der Oker. Die Hände bluteten vom Waschen der Arbeitskluft des Ziehvaters, Unterwäsche, Kleider und Schürzen der Hausfrau und ihrer elf Kinder. Berge davon hatte das Mädchen bereits auf den Steinen am Flussrand blitzsauber gerubbelt und übereinander getürmt. Die Mühsal neigte sich dem Ende zu. Nur wenige schmutzige Gewänder warteten noch im Gras auf sie.
    Schäumendes Wildwasser spritzte hoch, erfrischte das müde Gesicht. Schmerz brannte in wunden, rissigen Fingern, ließ Isabella leise Schreie ausstoßen, die zwar nicht das Blut stillten, aber Herz und Seele erleichterten.
    Von fern hörte sie den Abdecker Geroll brüllen: „Isabella, warum ist der Haferbrei für das Frühstück nicht gekocht?“
    „Weil kein Hafer mehr da ist!“
    „Dann besorg welchen.“ Hubert Geroll kam mit langen Schritten über die Wiese gelaufen. „Die Kinder haben Hunger. Übrigens war ich gestern bei deiner Mutter. Sie will dich unbedingt sehen, behauptet, dass es wichtig sei. Geh sie besuchen und bring von ihr Lebensmittel mit. Es wird Zeit, dass sie mehr Taler locker macht. Du frisst uns die Haare vom Kopf. Für die eigene Familie bleibt kaum was übrig. So läuft das nicht, Jungfer. Richte das der Geizbacke aus.“
    Isabella blickte den Schinder verächtlich an. Wortlos legte sie die Wäsche in den Korb, trug ihn zu der windschiefen Hütte, in der die Ziehmutter mit den Kindern am Tisch saß und auf Essen wartete.
    „Hast dich zu lange an d er Wäsche aufgehalten“, keifte Emma Geroll als Begrüßung. „Sie hängt ja nicht mal auf der Leine. Soll ich das vielleicht auch noch übernehmen? Ich ertrinke in Arbeit. Elf Kinder, der Haushalt und die zusätzliche Last mit dir, dem fremden Blut, das seit der Geburt bei uns rumlungert. Isabella, du bist zu nichts nutze. Hast wohl wieder geträumt? Von einem Ritter, der dich aus dem Elend befreit, was?“
    „Hab ich nicht. Es war viel zu waschen. Schau meine Hände an. Völlig kaputt gescheuert.“ Das Mädchen streckte ihr die in Streifen herabhängenden Hautfetzen entgegen.
    Emma wandte sich an ihren Mann: „Das meine ich, wenn ich dir von der Zimperliese erzähle. Sie passt nicht zu uns. Alles an ihr ist zart und zerbrechlich. Jede Arbeit fällt ihr schwer. Arme Leute haben eine derbe Statur, müssen zupacken können, trotz Schwielen und Schrunden. Bei dieser Jungfer fällt die Haut einfach ab. Rohes Fleisch, nichts als rohes Fleisch. Das Mündel taugt zu gar nichts.“
    „Es ist nicht ihre Schuld, Emma. Der Herrgott hat sie so geschaffen. Ihre Mutter leidet unter dem gleichen Übel. Ein unabdingbares Erbe“, nahm der Abdecker Isabella in Schutz.
    „Steh du ihr noch bei. Ihr und der Hexe. Männern den Kopf verdrehen. Darauf verstehen sich beide. Auf schwarze Künste. Und so was lebt unter meinem Dach.“
    „ Genug ist genug.“ Hubert Gerolls Gesicht wurde zornesrot. Mit der Faust schlug er auf den wackligen Tisch. 
    „Aus purer Menschenfreundlichkeit haben wir das Balg damals nicht aufgenommen. Was wäre aus uns geworden? Ohne die monatlichen Zuwendungen seiner Mutter? Eine sparsame Hausfrau hätte davon einen hübschen Batzen Geld zur Seite geschafft, sodass wir nicht dauernd am Hungertuch nagen müssten. Was weiß ich, wo du das Geld der Hebamme lässt. Die Kinder und ich haben nicht viel vom Unterhalt zu sehen bekommen. Ich bin mir nicht mal sicher, ob die gesamte Brut von mir ist. Treiben sich genügend lüsterne Böcke in der Abdeckerei rum, wenn ich mit dem Esel Knochen zu den Seifenkochern und Leimsiedern ausfahre.“
    „Das nimmst du zurück, Alter. Auf der Stelle.“
    Während die Eltern wie gewohnt stritten, hängten sich die Geschwister an Isabellas Rockzipfel und krähten mit vereinten Kräften: „Hunger. Hunger. Hunger …“
    Isabella hielt sich die Ohren zu, lief nach draußen, um dem Streit zu entkommen und nach etwas Essbarem zu suchen. Die kleine Schar hinterher. Und sie hatten Glück.
    Auf dem Speicher fanden die Ausgehungerten hinter Holzscheiten, Forken, Beilen und anderem Tand einen halben Sack Mehl. Im Stall verkündeten fünf Hühner gackernd, dass sie Eier gelegt hatten und diese nun ausbrüten wollten, setzten sich stolz auf ihre Leibesfrüchte.

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