Die Heilerin des Sultans
schloss
die Augen. Valide Sultan – Königsmutter! Vom Padischah mit Gold und Juwelen
überhäuft, die einflussreichste Frau der gesamten östlichen
Welt. Diese Vorstellung ließ sie die Handflächen
aneinanderlegen und ein stilles Gebet zum Himmel schicken. Verzeih
mir, Herr, denn ich werde sündigen, dachte sie mit weniger Reue,
als es sich geziemt hätte. Zwar hatte sie all die Zeit im
Haushalt des Hekims an
dem christlichen Glauben ihrer Kindheit festgehalten. Doch schien es
ihr oft als interessiere sich Gott nicht besonders für die
Frauen. Und wenn Valide Sultan werden hieß, gegen
christliche Gebote zu verstoßen, dann würde sie dieses
Risiko auf sich nehmen. Ein Prickeln kroch über ihre Kopfhaut,
als sie sich vorstellte, wie der Herrscher des gewaltigen
Osmanenreiches sie auf Händen tragen, ihren Körper mit
Liebkosungen übersäen und Nacht für Nacht das Lager
mit ihr teilen würde, während er all seine anderen Frauen
und Konkubinen vernachlässigte.
Aber
dann kehrte die Bangigkeit zurück. Was, wenn sie ihn nicht
zufriedenstellen konnte? Wenn sie diese eine Chance, sich seine
Zuneigung zu sichern, verstreichen ließ, weil sie unerfahren
war in den Künsten der Liebe? Sie verlagerte ihr Gewicht von
einer Seite auf die andere. Wenn Zehra sie doch nur aufgeklärt
hätte über all die Dinge, die eine Frau wissen musste!
Nervös nestelte sie an einem der Perlenohrringe, die ebenfalls
ein Geschenk ihres ehemaligen Herrn waren. Bevor sie sich jedoch in
ihre Sorge hineinsteigern konnte, machte der Zug mit einem Ruck Halt,
und ihre Sänfte wurde ruppig auf dem Boden abgesetzt.
Stirnrunzelnd rieb sie sich den Ellenbogen, während sie auf das
plötzlich einsetzende Geschrei lauschte, das sich bereits nach
wenigen Sekunden mit dem Kläffen von Kötern und dem Wiehern
der Reittiere vermischte, auf denen die bewaffneten Wächter und
der Kizlar Agha thronten.
»Hör auf, dich zu sträuben!«, donnerte ein
Bass, dem kurz darauf das Geräusch eines Schlages folgte. »Lasst
das!«, mischte sich der oberste Hofeunuch ein, dessen Stimme in
solch auffälligem Kontrast zu der des anderen Mannes stand, dass
Sapphira das Gesicht verzog. Was im Namen aller Heiligen ging dort
draußen vor sich? Vorsichtig schob sie sich an die in allen
Farben leuchtenden Vorhänge heran und schälte Schicht für
Schicht von dem kleinen Fensterchen zurück. Da sie es nicht
wagte, mit mehr als einem Auge hinaus zu lugen, bot ihr der winzige
Spalt nicht viel Sicht; und dennoch genügte das, was sie
erspähte, um sie hastig zurück ins Innere der Sänfte
kriechen zu lassen. Keine vier Schritte von ihrem Tragsessel entfernt
hatten vier Kerle ein schlankes, hochgewachsenes Mädchen an
allen Vieren gepackt, da dieses so heftig um sich trat und schlug,
dass nicht nur sein Schleier, sondern seine gesamte Kleidung
verrutscht war. Hysterisch kreischte es etwas in einer Sprache, die
Sapphira nicht verstand, spuckte nach dem Kizlar
Agha und biss nach dem Arm
eines der Eunuchen, der es von hinten umklammert hielt. »Ich
sagte, lasst das!« Als handle es sich um die Hand eines Kindes,
zwang der Agha die
erhobene Faust eines fetten, schmucküberladenen Mannes an dessen
Seite zurück. »Ihr habt den Kaufpreis bereits erhalten.
Beschädigt also die Ware nicht! Meine Männer werden schon
mit ihr fertig.« Damit gab er dem Sklavenhändler mit einem
Wink zu verstehen, dass er sich zurückziehen konnte.
»Fesselt
sie mit Seidentüchern«, befahl er seinen Untergebenen.
»Keine Druckstellen oder Kratzer.« Obschon Sapphira das
andere Mädchen leidtat, breitete sich kalte Eifersucht in ihr
aus. Zwar hatte sie nur einen kurzen Blick auf die Sklavin erhascht,
doch genügte dieser, um sie mit Neid zu erfüllen.
Wohingegen ihr eigenes Haar schwarzblau schimmerte und glatt bis zu
ihrer Rückseite reichte, umfloss den Kopf dieser hellhäutigen
Schönheit eine Flut aus ungebändigten, goldenen Locken, die
in westlicher Manier zurechtgemacht waren. Und während Sapphira
immer stolz gewesen war auf ihre klaren, kornblumenblauen Augen,
blitzten die der anderen in einem angriffslustigen Smaragdgrün.
Derweil sie dem durch einen Knebel gedämpften Schimpfen der
jungen Frau lauschte, überlegte sie sich, wie sie sie ausstechen
konnte. Sicherlich legte der Sultan keinen Wert auf eine Furie,
dachte sie mit neuer Zuversicht. Was konnte ein Herrscher schon mit
einer Frau anfangen wollen, die es nicht für eine Ehre hielt,
von ihm berührt zu werden und ihm zu Willen
Weitere Kostenlose Bücher