Die Heilerin des Sultans
zu sein? Während
sie sich erneut in ihre Gedanken vertiefte, nahm der Zug seinen Weg
wieder auf, bis sie schließlich nach einer guten halben Stunde
am äußeren Tor des Palastes angekommen waren, dessen
gewaltige Moschee die Ringmauern weit sichtbar überragte. Da
Sapphira sich vor den kriegerischen Janitscharen – der Leibgarde des
Sultans – fürchtete, schlang sie die Arme um die
angezogenen Beine und horchte auf das Treiben in den äußeren
beiden Höfen. Wie jeder Einwohner der Stadt Bursa wusste auch
sie, dass nur der erste Palasthof für die Öffentlichkeit
zugänglich war. Dort konnten einfache Untertanen Klagen und
Bitten vorbringen, wohingegen im zweiten Hof ausländische
Abgesandte empfangen wurden und der Diwan tagte, dem in Abwesenheit des Sultans der Großwesir vorsaß.
Doch den dritten Hof, die innerste und heiligste Stätte –
den Harem – betrat man nur, wenn man in die Familie des Padischahs eintrat; und als Kul oder Sklave wurde man ein
Teil dieser Palastfamilie. Als die Sänftenträger zum Stehen
kamen, machte ihr Magen einen Überschlag. Es war so weit! Bald
würden sich ihre kühnsten Träume erfüllen.
Geblendet kniff sie die Augen zusammen, als ein schwarzer Eunuch den
Vorhang zurückschlug und ihr eine schmale Leiter hinabhalf, die
ein etwa siebenjähriger Knabe hastig angelegt hatte. »Bringt
sie ins Hamam «,
wies der Kizlar Agha seine
Untergebenen an. Und während Sapphira – verzaubert von der
Pracht und Schönheit des Palastes – nicht wusste, wohin
sie ihren Blick zuerst wenden sollte, wurden die anderen beiden
Neuzugänge bereits auf das gewaltige Gebäude zu ihrer
Rechten zugetrieben.
Kapitel 4
Immer noch
sprachlos vor Staunen stolperte Sapphira vor ihrem Bewacher her.
Nicht nur die Gärten und Wasserspiele, sondern auch die
schillernden Seidenteppiche und Wandbehänge im Eingangsbereich
des Palastes überwältigten sie. Durch überwölbte
Hallen und Höfe näherten sie sich dem im Herzen der Anlage
gelegenen Hamam, dem Badehaus, aus dem eine betörende
Mischung aus Düften ins Freie drang. Hoch über ihren Köpfen
zwitscherten farbenprächtige Singvögel, die von einem
feinmaschigen Netz davon abgehalten wurden, in die Freiheit zu
entfliehen. Rings um das Bad befand sich ein breiter Grünstreifen,
auf dem Rosenbüsche, Kamelien, Magnolien und Azaleen wuchsen. Am
Eingang des Hamams wurden sie von einer unscheinbar wirkenden
Frau mittleren Alters empfangen, die sich als Natir, –
die Badefrau – herausstellte. »Du weißt, was du zu
tun hast«, fuhr der Agha sie unfreundlich an, woraufhin
sie sich schweigend vor ihm verneigte. »Und ihr gebt acht, dass
es keine Schwierigkeiten mit dieser hier gibt«, wies er seine
Untergebenen an, die ebenso wie er selbst zu der Gruppe der Sandali, – der vollkastrierten Eunuchen – zählten. Diese –
allesamt schwarz – wurden nicht als männlich angesehen,
womit der Umgang mit den Frauen des Sultans für sie kein
Verbrechen darstellte – auch wenn diese unbekleidet waren. Kaum
hatte der Agha der Gruppe den Rücken gewandt, um seinen
Herrn von der Ankunft der Mädchen zu unterrichten, nahm einer
der Männer der blonden Sklavin die Fesseln ab. Mit erhobenem
Zeigefinger warnte er sie davor, erneut eine Szene zu machen und
ergriff ihren Arm. »Kommt«, forderte die Natir die
jungen Frauen auf und geleitete sie über einen auf Hochglanz
polierten Fliesenboden in einen Umkleideraum, in dem sie sich ihrer
Gewänder entledigten. Wenngleich Sapphiras Aufregung ihr
inzwischen beinahe die Luft zum Atmen raubte, ließ sie den
Blick unter gesenkten Lidern über die Körper der andern
Mädchen wandern.
Wie
erwartet waren die Formen der Blonden vollkommen. Lange, schlanke
Beine gingen in eine sanft geschwungene Hüfte über, und
über einem leicht gewölbten Bauch prangte ein Paar
vollkommene Brüste. Wie Sapphira selbst war die junge Frau am
gesamten Körper enthaart. Doch wohingegen ihr eigenes Geschlecht
sich sittsam in einer Falte verbarg, schockierte die Scham der
anderen durch die Sichtbarkeit dessen, was die Dichter »süße
Dattel« nannten. Wie die Blüte einer verlockenden Blume,
dachte das Mädchen, das sich mit einem Mal unscheinbar und
gewöhnlich vorkam. Wie sollte sie gegen solche Reize bestehen?
Auch die andere Sklavin, die der Agha erstanden hatte, bestach
durch makellose Schönheit. Während die Haut des blonden
Mädchens so weiß war, dass sie beinahe durchscheinend
wirkte, glich der Ton der anderen Frau dem des
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