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Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler

Titel: Die Henkerstochter und der K�nig der Bettler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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Strick um Kuisls Handgelenke und sprang dann vom Schafott. Schon kurze Zeit später kam er mit Simon und Magdalena zurück.
    »Der Jungfrau und allen Heiligen sei Dank, du lebst!«
    Als die Henkerstochter ihren Vater sah, war sie nicht mehr zu halten. Mit ausgebreiteten Armen stürmte sie auf das Podest, kletterte geschwind auf die schief aufgetürmten Kisten und schloss Jakob Kuisl in die Arme. So fest drückte sie ihn an sich, dass er glaubte, ein zweites Mal stranguliert zu werden.
    »Gell, jetzt gehst nimmer weg von mir«, flüsterte sie und betastete sein Gesicht, als könnte sie immer noch nicht glauben, dass er lebte. »Versprochen?«
    »Und du auch nicht, du ausgschamtes Luder«, murmelte Jakob Kuisl. »Dass du das der Mutter angetan hast, einfach so aus Schongau zu verschwinden. Rotz und Wasser wird sie heulen, tagein, tagaus.«
    Er hustete rasselnd, und Magdalena strich ihm über den Kopf. »Jetzt gehen wir ja wieder heim«, sagte sie. »Aber zuvor musst du erst gesund werden. Du hast Fieber, das sieht man. Und mit deiner Schulter stimmt auch was nicht.«
    DerHenker blinzelte argwöhnisch in Richtung Simon, der mittlerweile das Schafott hochgeklettert war. »Glaub bloß nicht, dass ich mich von diesem kleinen windigen Kurpfuscher heilen lasse«, brummte er. »Lieber schmier ich mir noch mal die stinkende Wundsalbe vom Teuber drauf.«
    Simon grinste und machte eine leichte Verbeugung. Seine Kleider waren noch immer zerissen und nass vom Kampf mit Silvio Contarini, doch mittlerweile war wieder Farbe in sein Gesicht zurückgekehrt. »Bitte schön. Ihr könnt Euch auch gern selbst die Arme amputieren. Dann hab ich weniger Arbeit.«
    »Frecher Saubub. Lang noch einmal meine Tochter an, dann schmier ich dir eine.«
    »In Eurem Zustand?«
    Jakob Kuisl wollte zu einer krächzenden Schimpfkanonade ansetzen, doch Magdalena fiel ihm ins Wort. »Solange du noch Kraft zum Streiten hast, kann das Fieber ja nicht so schlimm sein«, erklärte sie schnippisch. »Und jetzt lass uns endlich von hier verschwinden. Bevor es sich die Regensburger anders überlegen und noch einmal den Henker hängen wollen.«
    »Wer sind denn die dahinten?« Jakob Kuisl deutete auf eine Gruppe Bettler, in deren Mitte ein älterer Mann mit verschlissenem Rock und breitkrempigem Hut stand. Als der Alte den Blick Kuisls bemerkte, grinste er und offenbarte ein funkelndes goldenes Gebiss.
    »Sehen so aus wie die Leut, die ich zu Hause immer aus der Stadt prügel«, knurrte der Henker. »Gehören die zu euch?«
    Magdalena lächelte. »Kann man so sagen. Oder wir zu ihnen, ganz wie du willst.«
    Sie sprang vom Schafott und tänzelte zwischen den Kistendavon. Simon, Jakob Kuisl und der alte Kämmerer blieben oben stehen und starrten ihr hinterher.
    »Eine starke Tochter hast du da«, sagte Paulus Mämminger. »Kommt ganz nach dir.«
    Mit einem Mal verdüsterte sich das Gesicht des Scharfrichters, sein Blick ging ins Leere. Noch immer baumelten die beiden Henkersschlingen im Wind hin und her wie zwei gewaltige Uhrenpendel.
    »Ob sie nun nach mir kommt oder nicht«, murmelte Jakob Kuisl. »Sie ist in jedem Fall ein echtes Satansweib. Eine Henkerstochter ist immer mit dem Teufel im Bunde.«
    Gemeinsam mit Simon stieg er vom Schafott und ging auf die Mole zu, zwischen deren schmierigen Pfeilern das Wasser sprudelte und schäumte. Schweigend blieben sie eine Weile am Ufer stehen. Plötzlich zog der Henker einen zerknitterten Bogen Papier aus seiner Hemdtasche, zerriss ihn in kleine Stücke und streute die Fetzen in die Fluten. Wie kleine weiße Blätter trudelten sie davon, bis sie zwischen den Wellen verschwanden.
    »Was war das?«, fragte Simon verwundert. »Doch nicht etwa der Brief, den Ihr letzte Nacht bekommen habt?«
    Jakob Kuisl sah noch kurz den letzten trudelnden Papierstückchen hinterher, dann drehte er sich abrupt um und ging auf die Steinerne Brücke zu, wo Magdalena bereits auf sie wartete.
    »Nichts Wichtiges«, brummte er. »Nur ein Stückerl Vergangenheit. Wen schert’s, was gestern war.«
    Magdalena ließ die Beine über die Kaimauer baumeln und sah ihnen entgegen, ihr Mund ein breites Lächeln, die Augen schwarz und funkelnd wie zwei Kohlen in einer kalten Nacht.
    Dem Henker schien es, als hätte er seine Tochter noch nie so geliebt wie in diesem Augenblick.

Epilog
    Regensburg, 1662 ,
zwei Monate später …
    D ie ersten Barone, Herzöge, Freiherren und Grafen reisten bereits Ende Oktober an. Mit ihren bunten Kleidern, den stolzen

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