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Die Henkerstochter und der schwarze M�nch

Titel: Die Henkerstochter und der schwarze M�nch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver P�tzsch
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hochschrecken. Es war Magda, die sich von hinten genähert hatte. Mit weit offenem Mund starrte sie auf den gefrorenen Leichnam, dann sah sie Simon an. Sie schien etwas sagen zu wollen, doch die Worte blieben ihr im Halse stecken.
    »Was ist?«, fragte Simon ungeduldig.
    »Die ... die zwei übriggebliebenen Schmalznudeln ...«, begann die Haushälterin.
    »Was soll damit sein?«
    » Sie ... sind mit Honig bestrichen.«
    Simon zuckte die Schultern, stand auf und wischte sich den Schnee von den Händen. Er war im Begriff zu gehen, hier gab es für ihn nichts mehr zu tun.
    »Na und? Im ›Stern‹ machen sie sie auch mit Honig. Hervorragend übrigens. Hast du das Rezept von dort?«
    »Aber ... ich habe keinen Honig draufgetan.«
    Simon hatte kurz das Gefühl, es ziehe ihm den Boden unter den Füßen weg. Er meinte, sich verhört zu haben.
    »Du ... du hast keinen Honig drauf?«
    Die Haushälterin schüttelte den Kopf.
    »Unser Honigtopf war leer. Ich wollte nächste Woche auf dem Markt einen neuen kaufen. Deshalb habe ich die Schmalznudeln diesmal ohne Honig gemacht. Weiß der Kuckuck, wer den da draufgestrichen hat. Ich jedenfalls nicht.«
    Simon blickte auf den erstarrten Pfarrer und sah sich dann vorsichtig in der Kirche um. Ein kalter Windzug erfasste sein Haar. Plötzlich fühlte er sich beobachtet. Mit Magda im Schlepptau rannte er aus der Kirche. Der Wind zerrte an seinem Mantel, als wollte er ihn festhalten.
    Endlich draußen angekommen, fasste er die kalkweiße Haushälterin an den Schultern und sah ihr fest in die Augen.
    »Hör mir zu. Schick den Gedler noch mal nach Schongau«, sagte er leise. »Er soll den Henker holen.«
    »Den Henker?«, krächzte Magda. Ihr Gesicht wurde noch eine Spur weißer. »Aber warum?«
    »Glaub mir«, flüsterte Simon. »Wenn uns jetzt noch einer helfen kann, dann er. Und jetzt frag nicht lang, lauf!«
    Er gab der Haushälterin einen Klaps auf ihr breites Gesäß. Dann drückte er die schweren Türflügel zu; mit lautem Quietschen schlossen sie sich. Geschwind drehte der Medicus den bronzenen Schlüssel im Schlüsselloch herum und steckte ihn in seine Tasche. Erst jetzt fühlte er sich ein wenig sicherer.
    Dort in der Kirche war der Teufel, und nur der Henker konnte ihn wieder austreiben.
     
    Kurze Zeit später saß Simon in der zugigen Stube des Pfarrhäuschens, kaute an einem Kanten Brot und schlürfte missmutigden von Magda eigens gebrauten Lindenblütentee. Eigentlich hatte der Medicus die getrockneten Blüten für den Pfarrer mitgebracht, aber der brauchte sie ja nun nicht mehr. Der braungrüne Sud roch nach Krankheit und Kater.
    Simon seufzte, während er an der heißen Brühe nippte. Er war allein. Der Mesner war unterwegs nach Schongau, um den Henker zu holen, und Magda war ins Dorf gelaufen, um die schauerliche Neuigkeit zu verbreiten. Einen zu Tode gefressenen Pfaffen hätte sie noch für sich behalten können, einen vergifteten sicher nicht. Wahrscheinlich zerriss sich das Volk bereits jetzt das Maul über mögliche Giftmischerinnen und Satansmessen. Der Medicus schüttelte den Kopf. Wie gerne hätte er jetzt statt des Tees einen Becher mit starkem Kaffee getrunken, doch die braunen, harten Bohnen lagerten bei ihm zu Hause, sicher verwahrt in einem Lederbeutelchen in einer Truhe. Von seinem letzten Kauf auf der Augsburger Dult war nicht mehr viel da. Er musste sparsam damit umgehen, denn Kaffee war ein exotisches, teures Produkt. Nur selten brachten es Händler aus Konstantinopel oder noch weiter her von ihren Reisen mit. Simon liebte das bittere Aroma, das es ihm ermöglichte, klar zu denken. Mit Kaffee löste er auch die kniffligsten Probleme. Gerade jetzt hätte er eine Portion dringend nötig gehabt.
    Simons Grübeln wurde jäh unterbrochen, als er draußen vor dem Fenster ein Geräusch hörte. Ein leises Klacken und Quietschen wie von einem verrosteten, sich langsam öffnenden Gatter. Vorsichtig schlich er zur Tür, drückte sie einen Spalt weit auf und blickte nach draußen. Nichts war zu sehen. Er wollte schon wieder hineingehen, als sein Blick noch einmal nach unten fiel. Entsetzt bemerkte er die frischen Spuren im Schnee, die hin zur Kirche führten. Sein Blick folgte den Spuren bis hin zum Portal.
    Die breite Holztür stand einen Spalt offen.
    Simon fluchte. Er fasste in seine Rocktasche und spürtedort den kalten Stahl des Kirchenschlüssels. Wie um alles in der Welt...?
    Nervös sah der Medicus sich in der Stube nach einer geeigneten Waffe um. Seine Augen

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