Die Herren von Everon
einen Meter groß, der einheimischen Fauna Eversons angehörend, getragen wurde. Es war ein Allesfresser. Jef konnte sich an seinen wissenschaftlichen Namen nicht erinnern, obwohl die meisten größeren Spezies des Planeten bei der ersten Untersuchung katalogisiert worden waren.
Die Kolonisten nannten ein solches Geschöpf ein Jimi, wie Jef aus seinen Studien wußte. Es war leicht zu zähmen und ans Haus zu gewöhnen; seine kleinen Pfoten mit den gegenübergestellten Daumen konnten alles tun, was eine menschliche Hand der gleichen Größe fertigbrachte, und die Jimis lernten schnell recht komplizierte Arbeiten. Sie waren jedoch bis zum Stumpfsinn unterwürfig, und abgesehen von ihren manuellen Fähigkeiten schienen sie nicht mehr Intelligenz zu besitzen als auf der Erde ein Hund. Es war ein zweites Jimi anwesend. Auf der anderen Seite des Salons hielt noch eine Frau ihr Haustier dicht an ihrer Seite. Sie hieß Calabria deWinter und trug ein blaues Kostüm mit breitem Kragen. Auch sie war groß, aber sie hatte fünfzehn oder zwanzig Kilo Übergewicht, graues Haar und ein rundes, glattes Gesicht, das zu einem viel jüngeren Körper gepaßt hätte. Neben ihr sah ihr Jimi klein und zerbrechlich aus. Es unterschied sich von Suchis Jimi auf eine Weise, die Jef nicht näher bestimmen konnte, bis es ihm plötzlich aufging, daß deWinters Jimi weiblich war – Suchis war männlich. Die meisten warmblütigen Spezies auf Everon waren bisexuell und Säugetiere – eine ungewöhnliche und glückliche Parallele zum irdischen Leben.
Doch sobald ihm die Weiblichkeit von de Winters Haustier einmal bewußt geworden war, tat es Jef ein wenig leid, das Geschlecht des Geschöpfes bemerkt zu haben. Die kleinen Brüste unter dem weichen grauen Fell waren zuvor nicht auffällig gewesen. Jetzt, wo er sie einmal entdeckt hatte, gaben sie dem Jimi das Aussehen eines kleinen, gefangenen menschlichen Wesens, und es kam Jef irgendwie abstoßend vor, daß es an einer Leine gehalten wurde.
„Herr Robini! Herr Robini, kommen Sie zu uns!“ rief Martin fröhlich von der Couch herüber. Aus seiner Anonymität vertrieben, ging Jef hinüber, und jemand brachte einen Stuhl für ihn herbei.
„Sie alle kennen Herrn Robini … nein?“ Martin stellte ihn Yvis Suchi und den anderen vor, die rings um ihn standen oder saßen. „Wir sprechen gerade über Variformen der Fleischtiere unserer Erde, Herr Robini. Herr Cläre Starkke hier ist Wisentzüchter …“
Er nickte zu einem Mann in einer braunen Halbrobe hin, der in einem Armsessel saß. Auf den ersten Blick sah er aus, als sei er beinahe ebenso groß wie der Konnetabel. Sein Gesicht war tief sonnengebräunt, von schwerem Knochenbau und mit ersten Runzeln durchzogen, obwohl sein Haar noch voll und dunkelbraun war.
„Es ist mir eine Ehre, mein Herr“, sagte Jef zu Starkke.
„Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen, mein Herr“, erwiderte Starkke mit einer etwas blechernen Stimme. „Wir sprechen über unsere zahllosen Schwierigkeiten, über die Kämpfe, die wir auf dieser Welt führen müssen, damit wir und unsere Rinder überleben können.“
„Oh“, machte Jef.
Er nahm an, daß das, was Starkke soeben geäußert hatte, die übliche Kolonisten-Klage war. Variformen von irdischen Tieren oder Pflanzen wurden niemals auf eine neubesiedelte Welt gebracht, wenn das ökologische Korps nicht zuvor eine erschöpfende Voruntersuchung aus Tests und Studien durchgeführt hatte. Die Variformen, die schließlich eingeführt wurden, waren dann immer genetisch maßgeschneidert für die biologischen Zustände auf der Welt, für die sie bestimmt waren. In den beinahe siebenundfünfzig Jahren, seit die Technik des Variformens perfektioniert worden war, hatte es nie einen Fall gegeben, in dem eine zugelassene Spezies die angestammte Ökologie eines Planeten, in die man sie einführte, bedroht hätte. Natürlich nahmen die Variformen trotzdem den Status von Eindringlingen in der einheimischen Ökologie ein, und es konnte einige Generationen dauern, bis sie vollständig integriert waren.
Starkkes Wisent mußte genetisch von dem europäischen Büffel abstammen, der unter diesem Namen bekannt war. Jef fand es interessant, daß man die Variformen für Everon durch Gen-Änderungen aus dem europäischen und nicht dem amerikanischen Büffel geschaffen hatte, denn der Wisent war, anders als der die Ebenen durchstreifende Büffel, ein Waldbewohner gewesen, und auf Everon waren die Wisentherden auf das hochgelegene
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