Die Herren von Everon
Zweig im Feuer herum, und ein Regen rotgoldener Funken schoß in die Dunkelheit wie der Raketenschweif eines winzigen, unsichtbaren Raumschiffes. Die Menschheit war, wenn man es recht bedachte, noch weniger wert als der Wegweiser-Baum. Sie gab nicht nur nichts, sondern hatte dazu noch die Absicht, niemals etwas anderes zu tun als zu nehmen. Hier auf Everon und zu Hause auf der Erde, wo eine ganze Welt darauf zugeschnitten und verändert worden war, die sich wie ein Seuchenvirus ausbreitetende menschliche Rasse zu erhalten, boten seine Rassegenossen nichts an und planten, alles zu nehmen.
Dabei mußte das nicht sein. Inmitten aller Untaten seiner Rasse, durch die ganze blutgetränkte Geschichte der Menschheit hatte ein Funken der Wärme und Freundlichkeit, wie Jef ihn bei den Mitgliedern seiner eigenen Familie gefunden hatte, weiterbestanden. Er war festgehalten worden in Schrift und Bild und Musik, er wurde in stillen Winkeln gelehrt, und in stillen Winkeln der menschlichen Seele glühte er fort. Menschliche Selbstsucht war die eine Seite der Medaille, aber die andere hatte es immer ebenfalls gegeben. Nur – sie schien niemals die Oberhand zu gewinnen, niemals den Sieg zu …
Plötzlich sprang Mikey, der die ganze Zeit stillgelegen hatte, auf die Füße. Mit einer einzigen Bewegung seines schweren Kopfes warf er Jef um, trat vor und stellte sich über ihn. Zum ersten Mal, seit sie die Erde verlassen hatten, drang aus der Kehle des Maolots der tiefe grollende Ton, der einem warnenden Knurren entsprach.
„Mikey!“ rief Jef und versuchte aufzustehen. Mikey setzte eine schwere Vorderpfote auf ihn und hielt ihn unten, und dabei starrte er weiter blind in die Dunkelheit und stieß sein Warnungsgrollen aus.
Dann kam aus der Nacht, und unheimlich war es, eine hohe menschliche Stimme zurück. Sie rief: „In Ordnung! Frieden – niemand tut irgendwem was – ich komme ans Feuer. Einverstanden?“
Mikey nahm seine Pfote von Jef fort und trat zurück. Sein Knurren verstummte. Jef stolperte auf die Füße. Er sah erst den Maolot an und dann in die vollkommene Finsternis des Waldes, in die Mikey immer noch das Gesicht richtete.
Ein paar Sekunden vergingen mit Warten. Dann erklang ein schwaches Rascheln in der Schwärze, und gleich darauf tauchte im Feuerschein eine schmale Gestalt auf, einen Kopf kleiner als Jef, gekleidet in eine Lederjacke und grün-braun karierte Hosen aus dickem, handgewebtem Tuch. Sie trug einen Gegenstand auf dem Rücken, von dem ein Ende wie ein Ladestock über die linke Schulter hervorragte. Am Gürtel hing ein Köcher mit Dingen, die wie kurze Pfeile aussahen. Jef riß die Augen auf. Es war ein zwölfjähriger Junge – nein, es war ein junges Mädchen mit kurzgeschnittenem braunem Haar und einem schmalen, sonnengebräunten Gesicht.
„Frieden“, sagte sie noch einmal und blieb auf der anderen Seite des Feuers stehen. „Alles Freunde – niemand tut irgendwem was, wie ich schon sagte. Aber du hast wirklich Glück, daß es dir gelungen ist, aus einem Maolot einen Wachhund zu machen. Ehe ich das sah, war ich schon halb entschlossen, dich erst mit einem Bolzen zu durchbohren und dir dann Fragen zu stellen.“
„Bolzen … durchbohren …“ Jef schüttelte den Kopf. Die Wörter hatten keinen Sinn für ihn. „Warum?“
„Warum bist du auf meinem Grund und Boden – und hast keine Botschaft geschickt, daß du passieren möchtest?“ wollte das Mädchen wissen.
Von neuem riß Jef die Augen auf. Ihr Grund und Boden? Sie sah aus, als liege ihr Alter irgendwo zwischen zwölf und sechzehn.
„Fremde“, erklärte sie nun, „werden heutzutage in diesen Wäldern ohne Anruf erschossen, wenn sie sich unangemeldet blicken lassen. Das weiß jeder. Warum weißt du es nicht?“
6
Jef starrte sie an.
Das war eine gute Frage. Warum wußte er es nicht?
„Niemand hat es mir gesagt“, antwortete er. Es hörte sich dumm an in dieser stillen Nacht, neben dem knisternden Feuer. Die Sprache des Mädchens hatte die gleiche Eigenart, die ihm schon bei dem Konnetabel und anderen aufgefallen war, das gelegentliche kurze Innehalten mitten im Satz. „Das ist dein Grund und Boden?“
„So ist es. Ich bin Jarji Jo Hillegas, und das hier ist meine Ranch – vom Silberfeld bis zum Unterbach. Mir gehören über sechshundert Stück Antilopen in diesen Wäldern. Alle Besitzungen hier herum sind Hillegas-Land. Meine älteste Schwester hat die nächste Ranch im Süden, der Bruder, der im Alter nach mir kommt,
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