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Die Herren von Hermiston

Titel: Die Herren von Hermiston Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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unter seiner Zucht zu behalten. Aber Archie, der soeben Gott oder dem Satan – es war unklar, welchem von beiden – getrotzt hatte, wollte auf das Wort eines Studiengenossen nicht hören.
    »Ich werde nicht mit Ihnen gehen«, sagte er. »Ich wünsche Ihre Begleitung nicht, Herr; ich will allein sein.«
    »Weir, Mensch, machen Sie sich nicht lächerlich«, sagte Innes und hielt ihn hartnäckig am Ärmel fest. »Ich lasseSie nicht fort, bis ich nicht weiß, was Sie vorhaben; es hat gar keinen Zweck, derart mit dem Stocke herumzufuchteln.« Im Augenblick hatte Archie tatsächlich eine rasche, vielleicht sogar kampflustige Bewegung gemacht. »Das hier war kompletter Wahnsinn; Sie wissen es selber ganz genau. Sie wissen genau, daß ich jetzt lediglich den barmherzigen Samariter spiele. Ich will ja nichts weiter, als daß Sie sich beruhigen.«
    »Wenn das alles ist, Mr. Innes«, entgegnete Archie, »und Sie mir versprechen, mich in Ruhe zu lassen, kann ich Ihnen das eine verraten: Es ist meine Absicht, aufs Land zu gehen und die Schönheiten der Natur zu bewundern.«
    »Ehrenwort?« forschte Frank.
    »Ich pflege nicht zu lügen, Mr. Innes«, lautete Archies Erwiderung. »Ich habe die Ehre, Ihnen einen guten Tag zu wünschen.«
    »Sie werden doch nicht vergessen, in den Speculative Club zu kommen?«
    »Den Speculative Club? O nein, ich werde es nicht vergessen.«
    Und der junge Mann trug seinen gefolterten Geist hinaus aus der Stadt wegauf, wegab, einen ganzen Tag lang, auf eine endlose Pilgerfahrt der Qual, während der andere sich lächelnd beeilte, die Nachricht von Weirs Wahnsinnsanfall zu verbreiten und auf den Abend hin den ganzen Speculative Club zusammenzutrommeln mit der Mitteilung, daß weitere exzentrische Entwicklungen mit Gewißheit zu erwarten ständen. Es ist zu bezweifeln, ob Innes selbst ernstlich an seine Voraussage glaubte; wahrscheinlichentsprang diese vor allem dem Wunsche, eine gute Geschichte auszuschmücken und den Skandal so groß wie möglich zu machen, und das nicht etwa aus bösem Willen gegen Archie, sondern lediglich, um den Kreis gespannter Gesichter zu sehen. Trotzdem waren seine Worte prophetisch. Archie vergaß den Club nicht; er war pünktlich zur Stelle und hatte vor Ablauf des Abends seinen Kameraden einen denkwürdigen Schock versetzt. Zufällig führte er an jenem Abend den Vorsitz. Er saß in dem nämlichen Zimmer, in dem auch heute noch der Club tagt – nur waren die jetzigen Porträts noch nicht vorhanden: die Männer, die für sie saßen, standen damals noch an den Anfängen ihrer Laufbahn. Aber die nämliche Lichtflut zahlreicher Kerzen umspielte die Versammlung; ja, vielleicht saß Archie in dem gleichen Sessel, auf dem seither so viele von uns gesessen. Zeitweilig schien er die Geschäfte des Abends ganz zu vergessen; aber auch in diesen Momenten zeigte sein Ausdruck trotzige Energie und Entschlossenheit. Dann wieder griff er bitter und unberufen in die Debatten ein und erhob mit herausfordernder Miene Geldbußen, welche die kostbare und selten benutzte Artillerie des Vorsitzenden bilden. Schwerlich ahnte er, wie sehr er dabei seinem Vater glich und daß seine Freunde darüber kichernd ihre Bemerkungen machten. Bislang schien er dort auf seinem erhöhten Sitze über die Möglichkeit eines Skandals erhaben; aber er hatte seinen Beschluß gefaßt – er war fest entschlossen, sein Vergehen bis in dessen letzte Konsequenzen zu verfolgen. Durch ein Zeichen berief er Innes (den er soeben gestraft hatte und der gegen seine Art, den Vorsitz zu führen,protestierte) auf den Präsidentenstuhl, trat von dem Katheder herunter und nahm seinen Platz neben dem Kamin ein, wo der Glanz vieler Wachskerzen sein bleiches Gesicht erhellte und die rote Glut des Feuers die Umrisse seiner schlanken Gestalt klar abzeichnete. Als Amendment zu dem nächsten auf der Liste stehenden Gegenstande hatte er Folgendes vorzuschlagen: »Ist die Todesstrafe mit Gottes allmächtigem Willen und menschlicher Politik vereinbar?«
    Ein Hauch von Verlegenheit, ein Schauer des Erschreckens wehte durch den Raum, so tollkühn erschienen diese Worte auf den Lippen von Hermistons einzigem Sohne. Allein der Vorschlag gewann keine weiteren Stimmen; der vorhergehende Antrag wurde prompt eingebracht und einstimmig angenommen, und der momentane Skandal stahl sich zur Hintertür hinaus. Innes brüstete sich mit der Erfüllung seiner Prophezeiung. Er und Archie waren jetzt die Helden des Abends geworden; während sich jedoch

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