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Die Herren von Hermiston

Titel: Die Herren von Hermiston Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Louis Stevenson
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Abkürzungsweg nach Hermiston. Auf der anderen Seite fiel er stracks ab in das Teufelsmoor, ein ziemlich großes, morastiges Tal zwischenden Höhen, voller Quellen, verkrüppeltem Wacholder und Tümpeln, in denen das schwarze Torfwasser schlummerte. Hier gab es keine Aussicht. Man hätte ein halbes Jahrhundert lang auf des Betenden Webers Stein sitzen können, ohne ein einziges Lebewesen zu sehen, außer zweimal alle vierundzwanzig Stunden die Kinder von Cauldstaneslap auf dem Schulwege und gelegentlich einen Schäfer samt seinem Clan Schafe, oder die Vögel, die schreiend und schrill pfeifend die Quellen belagerten. Sowie Kirstie daher den Eingang des Passes durchschritten hatte, sah sie sich von Einsamkeit umfangen. Sie blickte ein letztes Mal nach dem Hofe zurück. Immer noch lag er verlassen, mit Ausnahme von Dandie, den man jetzt etwas in seinen Schoß kritzeln sah, denn endlich war der Muse ersehnte Stunde gekommen. Von dort kreuzte sie in raschem Schritt das Moor und erreichte das andere Ende, wo ein träger Bach entspringt, den der Weg nach Hermiston in seinem ersten Abschnitt zu Tal geleitet. Von dieser Seite aus gewann sie einen umfassenden Rundblick über die ganze Heidefläche, die stellenweise vom Winterfrost immer noch gelblich und rotbraun schimmerte, mit dem kühn sie durchschneidenden Pfad samt einzelnen Birkengruppen am Bachesrand und – zwei Meilen fern im Vogelflug, von jungen Pflanzungen und Einfriedungen umgeben – den in der Abendsonne blitzenden Fenstern von Hermiston.
    Hier setzte sie sich und wartete und spähte lange Zeit nach den fernen, hellen Scheiben hinüber. Es freute sie, einen so weiten Blick zu haben, schoß es ihr durch den Kopf. Es freute sie, das Hermistoner Herrenhaus zu sehen. »Menschen, Nachbarn«, und in der Tat unterschiedsie eine menschliche Einheit, vielleicht den Gärtner, der dort den Kiesweg herunterschlenderte.
    Als die Sonne untergegangen war und die östliche Moorfläche ganz in klarem Schatten lag, gewahrte sie eine männliche Gestalt mit äußerst unregelmäßigen Schritten, jetzt laufend, dann wieder innehaltend und unverhohlen zögernd, den Pfad hinaufkommen. Sie beobachtete ihn anfänglich in völliger Gedankenleere. Sie hielt ihre Gedanken an, wie ein Mensch den Atem anhält. Dann, endlich, gestattete sie sich, ihn zu erkennen. »Er wird nicht hierherkommen, es kann nicht sein; es ist unmöglich.« Und eine unterdrückte, würgende Spannung bemächtigte sich langsam ihrer. Aber er kam wirklich; sein Zaudern war völlig dahin, sein Schritt wurde fest und rasch; es blieb kein Raum für Zweifel. Statt dessen erhob sich sogleich die Frage: Was sollte sie tun? Was nützte es schon, daß ihr Bruder selbst ein Grundbesitzer war, daß man von gelegentlichen Zwischenheiraten sprach und auf die Verwandtschaft pochte wie Tante Kirstie? Der Unterschied in ihrer sozialen Stellung war schneidend; Schicklichkeit, Klugheit, alles, was sie gelernt hatte, was sie wußte, hieß sie fliehen. Allein der Becher des Lebens, der sich ihr bot, war gar zu köstlich. Einen kurzen Augenblick erkannte sie deutlich die Frage und traf endgültig ihre Wahl. Sie stand auf und zeigte ihre Umrisse eine Sekunde lang klar gegen den Himmel in dem Bergeinschnitt; in der nächsten Sekunde floh sie zitternd und setzte sich, glühend vor Aufregung, auf des Betenden Webers Stein. Sie schloß die Augen und rang, betete um Fassung. Die Hand in ihrem Schoß bebte, sinnlose, nichtige Reden drängten sich inihrem Hirn. Was gab es nur, sich so anzustellen! Sie war sich selber doch Schutz genug! Was konnte es schaden, mit dem jungen Herrn zusammenzutreffen? Es war im Gegenteil das Beste, was geschehen konnte. Sie würde ein für allemal die richtige Entfernung zwischen ihnen abstecken. Mählich, ganz allmählich hörten die Räder ihres Seins auf, wie toll zu kreisen, und sie saß in passiver Erwartung, eine stille, einsame Gestalt mitten im grauen Moos. Ich sagte, sie sei keine Heuchlerin gewesen, aber darin tat ich unrecht. Nicht einen Augenblick gestand sie sich selber zu, daß sie den Berg hinaufgekommen wäre, um Archie zu treffen. Und vielleicht wußte sie es wirklich nicht, vielleicht geschah es einfach, wie der Stein zur Erde fällt. Denn die Schritte der Jugend sind in der Liebe, besonders bei Mädchen, instinktiv und unbewußt.
    Inzwischen kam Archie eilig näher; er zum mindesten suchte bewußt ihre Nähe. Der Nachmittag war zu Asche geworden in seinem Munde; die Erinnerung an das Mädchen hatte

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