Die Herrin der Kathedrale
musste ihn doch beschützen!«
»Beschützen?«, fragte Hermann fassungslos. »Der Schleier wurde doch bereits am Vortag der Allerheiligenmesse zur Verwahrung aus dem Schrein genommen und in Eure Obhut gegeben. Wieso habt Ihr die Kathedrale dann noch angezündet?«
Noch immer auf Knien meinte Hildeward zu Hermann: »Wer eine so mächtige Kathedrale in nur zehn Jahren fertigstellt, muss mit dem Teufel im Bunde sein! Und dann noch ein Weib dabei!« Er wies anklagend mit zitternden Fingern auf Uta.
»In ein derartig sündiges Gotteshaus darf ein solch heiliger Schleier nicht gebettet werden!«
»Hier ist kein Teufel am Werk«, erklärte der Kaiser, nachdem Hermann sich schützend vor Uta gestellt hatte. »Eine durchdachte Planung und der Allmächtige haben es ermöglicht!«
»Die Gemeinde ist der Leib Christi. Wer das für das Mahl nicht bedenkt, zieht Gottes Strafe auf sich«, verlor sich Hildeward erneut in seinem Gemurmel.
»Deswegen sind so viele krank und schwach und sterben früh«, ergänzte Hermann dessen Worte ungehalten. »Lauten Eure Zeilen nicht so?«
Mit leerem Blick nickte Hildeward.
»Ihr seid als Bischof dieser Diözese der Kopf dieser Gemeinde«, setzte Hermann nun etwas gefasster nach. »Habt Ihr das für das Mahl nicht bedacht?«
Irritiert hörte Hildeward damit auf, seinen Schlüsselring zu befingern.
»Ihr habt gesündigt, nicht Eure Gemeinde!«, ergriff nun der Kaiser wieder das Wort. »Dadurch, dass Ihr Feuer in der Kathedrale gelegt habt, seid Ihr für den Tod zweier unschuldiger Menschen verantwortlich!«
Sehnsüchtig schaute Hildeward zu Notburga, die den Schleier noch immer an ihre Brust presste.
»Hildeward, Bischof von Naumburg, Ihr seid damit Eures Amtes als Bischof und Hüter dieser Kathedrale enthoben!«, verkündete Konrad so laut, dass seine Worte bis in die hintersten Reihen des Langhauses drangen. »Euer weiteres Schicksal lege ich in die Hände des Heiligen Vaters in Rom. Man nehme ihn in Gewahrsam!«
Begleitet von den entsetzten Blicken der Kämpfer wurde Bischof Hildeward fortgeschafft.
»Nun lasst uns endlich vollziehen«, sagte Konrad »weswegen wir uns heute hier eingefunden haben.«
Erzbischof Humfried nickte und trat an Notburga heran.
»Verehrte Äbtissin«, begann er und hatte, bevor sie sich versah, den Schleier aus ihren Händen genommen, um ihn in das neue Kästchen zu betten.
»Exzellenz!«, fuhr Notburga gekränkt auf.
»Habt Ihr etwas dagegen, verehrte Äbtissin, dass wir mit der Weihe fortfahren?«, fragte Gisela.
»Natürlich nicht, Hoheit«, entgegnete Notburga kleinlaut und trat mit gesenktem Kopf die Stufen des Ostchores hinab und zurück an die Seite von Äbtissin Adelheid.
»Dann wünsche ich«, verkündete Gisela, »dass die Exzellenzen Humfried von Magdeburg und Aribo von Mainz die Kathedrale nun gemeinsam weihen.«
Aribo von Mainz erstarrte. Als ob es nicht schon demütigend genug wäre, dass dieses verdammte Gotteshaus überhaupt Bischofskirche geworden war, sollte er jetzt auch noch die Weihehandlungen dafür vornehmen? Hätte er sich nur jemand Fähigeren als diesen Falk von Xanten ausgesucht! Gerade als Aribo sich dem Werkmeister zuwenden wollte, um ihm mit der Hand am Hals zu verstehen zu geben, was ihn in Mainz erwartete, sah er, dass der Platz des Mannes, auf den er sich dummerweise verlassen hatte, leer war.
»Das ist ein guter Vorschlag«, stimmte der Kaiser seiner Gattin zu und vernahm zufrieden, dass Humfried, der bereits vor dem Altar stand, ebenfalls damit einverstanden war. »Exzellenz Aribo von Mainz, bitte tretet auch Ihr vor.« Mit der Hand wies ihnen Konrad den Weg vom Chorgestühl zum Altar.
Langsam erhob sich der Mainzer, trat mit undurchsichtiger Miene neben seinen geistlichen Widersacher und nahm missmutig das gereichte Gefäß mit dem Weihwasser entgegen. Erzbischof Humfried empfing ihn mit einem wohlwollenden Lächeln. Auf eine Geste des Kaisers hin gingen sie gemeinsam durch den Chor. Beeindruckt beobachteten die Gewerkmeister, wie die beiden Erzbischöfe nun zu ihnen in das südliche Querhaus kamen. Der eine besprenkelte missmutig die Innenwände mit heiligem Wasser, der andere trug zufrieden das neue Kästchen mit dem heiligen Schleier neben ihm her. Als sie auf die gegenüberliegende Seite des Querhauses traten, machte Abt Pankratius vom Georgskloster ein Kreuzzeichen und senkte zufrieden den Kopf.
Uta schloss gegen Ende der Zeremonie die Augen. Sie wollte einfach nur erspüren und fühlen, wie die
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