Die Herrin der Kathedrale
Knauf, dem Griff, der Schneide und der Parierstange.« Mit einer Armbewegung gab er das Zeichen für den Beginn des Kampfes.
Als Erster zog Esiko sein Schwert und bewegte sich, seinen Gegner taxierend, auf Hermann zu. Beide Kämpfer umfassten den Griff ihrer Waffen mit zwei Händen, um hart zuschlagen und fest abwehren zu können. In der Mitte der Vierung prallten die Klingen ein erstes Mal aufeinander. Der Tanz des Todes hatte begonnen.
Zunächst versuchte Esiko mit mehreren Ober- und Unterschlägen, die Armkraft seines Gegners einzuschätzen. Schon nach einigen Hieben wusste er, dass Hermann ihm diesbezüglich eindeutig unterlegen war. Kaiserpaar und Thronfolger beobachteten den Kampf aufmerksam. König Heinrich war anzusehen, dass ihn die Leichtigkeit, mit der sich Esiko über den steinernen Boden bewegte und gleichzeitig zuhieb, beeindruckte. Hermanns Bewegungen erschienen dagegen ungelenk. Ängstlich beobachtete Uta, wie Esiko das Schwert über den Kopf hob und einen wuchtigen Oberschlag führte. Sie atmete aus, als Hermann das gegnerische Schwert mit der kurzen Schneide beiseiteschob und mit einem Knaufschlag in die Blöße des Bruders überraschend konterte. Trotz des Treffers zeigte Esiko kaum Schmerzen. Kurz darauf setzte Hermann zu einer schnellen Serie von abwechselnden Ober- und Unterhieben an. An den Rand des Kampffeldes in den nördlichen Flügel des Querhauses gedrängt, stöhnte Esiko auf und trat mit dem Schwert der angreifenden Klinge seitlich entgegen, um sie mit der Parierstange von sich wegzustoßen und auf diese Weise in die Mitte des Kampfplatzes zurückzugelangen. Sein wütender Gegenhieb traf Hermann an der Wade. Einige der Zuschauer schrien dabei wie im Chor auf. Zimmerermeister Jan war zusammengezuckt, während Matthias neben ihm entsetzt den Kopf schüttelte. Und ein Seitenblick zu Ekkehard verriet Uta, dass der mit dem Bruder in der Vierung mitlitt.
Hermann blickte kurz auf sein Bein, das ihm unter der Wucht des Schlages wegzuknicken drohte, fing sich dann aber wieder. Es schien nicht mehr als eine Fleischwunde zu sein. Als Esiko einen Oberhau antäuschte und Hermann versuchte, die gegnerische Klinge zu binden, indem er sein Schwert hob, führte Esiko seine Waffe im letzten Moment über der Schulter in Schräglage und traf den gegnerischen Oberarm. Das aus der Wunde spritzende Blut färbte Hermanns leinenes Obergewand dunkel.
Erschrocken lief Uta auf die Vierung zu, doch die Bewaffneten versperrten ihr den Weg. Sie zwang sich weiter zuzuschauen, auch wenn sie es kaum ertragen konnte, dass Hermann zweifach verletzt war. Nur wenige Fuß hinter den Bewaffneten verfolgte sie nun, wie Esiko gestärkt auf Hermann zustürmte und ihn in den südlichen Querhausflügel abdrängte. Er presste Hermann mit dem Rücken an eine der vier Säulen, die die Vierung markierten, und trat ihm mit aller Kraft in den Unterleib, so dass Hermann aufstöhnte. Esiko schien süchtig danach, seine Überlegenheit auszukosten. Er wollte noch mehr Blut fließen und Hermann leiden sehen. »Ich werde all Euren Besitz übernehmen«, raunte er Hermann zu, der sich unter seinen Tritten krümmte und kaum noch Luft bekam.
Erschüttert schaute Uta zu Hermann. Sie wollte nicht, dass er wegen ihr solche Schmerzen erleiden musste, und versuchte ein weiteres Mal erfolglos durch die Kette der Wachhabenden hindurchzugelangen, um dem Spuk hier und jetzt ein Ende zu bereiten. Mit schmerzverzerrtem Gesicht schaute Hermann auf allen vieren zu ihr hinüber und sah die Angst in ihren Augen. Irritiert folgte Esiko Hermanns Blick zu Uta. In diesem Moment kam Hermann ruckartig auf die Beine und setzte zu einem kräftigen Hieb an. Nur knapp gelang es Esiko, mit dem Schwert unter das gegnerische zu schlagen. Er lenkte es seitlich nach oben ab, löste eine Hand vom Schwertgriff und brachte Hermann durch einen Hieb gegen den Schwertarm aus dem Gleichgewicht. Als Hermann zu taumeln begann, rammte Esiko ihn unter Einsatz seines gesamten Körpergewichts und brachte ihn zu Fall. Mit einem Klirren schlitterte Hermanns Schwert über den Boden.
Verunsichert trat nun auch Ekkehard vom Altar an die Stufen zur Vierung. Während Äbtissin Adelheid und Äbtissin Sophie die beiden Kämpfer aufmerksam beobachteten, wandten Hermanns Mitbrüder aus dem Georgsklosters ihren Blick vom Geschehen ab. Schwester Erwina aus dem Moritzkloster, die seit einigen Tagen nichts als krächzende Laute hervorbrachte und deswegen ein dickes Tuch um den Hals trug, hielt sich
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