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Rettende Engel (German Edition)

Rettende Engel (German Edition)

Titel: Rettende Engel (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Glomp
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1
     
    „Noch einen auf den Weg und dann geh ich.“ Rena Karst hielt dem Wirt ihr Glas hin. Sie war eine zierliche Blondine, deren Haar schon bessere Zeiten gesehen hatte. Die Spitzen zerfaserten strohig und am Ansatz zeigte sich zentimeterbreit die natürliche braune Farbe. Rena war die einzige Frau in der heruntergekommenen Mannheimer Stadtrandkneipe. Trotzdem beachtete sie niemand.
    Die Männer umlagerten die Theke. Sie grölten und lachten. Der Grund für die Feier war auf dem Tresen zu besichtigen: ein großer Berg Geldscheine.
    Routiniert kippte Rena den Schnaps hinunter. Sie griff sich ein großes Bündel von Scheinen, drehte sich zu dem Mann neben ihr um, stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn leidenschaftlich.
    Mirko Kerner, Ende zwanzig, genau wie Rena, umfasste sie und zog sie zu sich heran. „Ach, komm. Ein paar Minuten kannst du sicher noch bleiben. Jetzt geht’s doch erst richtig los.“
    Rena entwand sich seinen Armen. „Nee, ich muss jetzt. Bis morgen.“
    Sie stopfte das Geld in ihre Umhängetasche und trat aus dem Kneipendunst hinaus in die klare, kühle Nachtluft.
     
    Die Musik in der Wohnung der Marewskis war voll aufgedreht und die Bässe wummerten so gewaltig, dass die Möbel und die Fensterscheiben zu vibrieren schienen. Im Fernsehen lief unbeachtet ein Sportsender. Der Herr des Hauses stand in der Küche im Unterhemd vor dem geöffneten Kühlschrank und schaute missmutig hinein. Dann brüllte er über die Schulter: „Verdammte Scheiße, wieso ist schon wieder kein Bier da? Wo bist du überhaupt, du Schlampe? Komm her, wenn ich mit dir rede.“
    Nadine, seine Frau, tauchte aus dem Kinderzimmer auf und betrat zögernd die Küche. Hinter ihr versteckte sich ein kleiner Junge. Sie zeigte zaghaft auf die leeren Flaschen, die den Küchentisch bevölkerten. „Ich habe gestern erst Bier gekauft.“
    „Und siehst du hier jetzt vielleicht welches? Kriegst du denn gar nichts gebacken?“
    „Angelina war heute krank und da …“
    „Das ist mir doch scheißegal, du dumme Kuh.“ Marewski zog seine Frau in die Küche und schubste sie gegen den Tisch. Einige der Flaschen kippten um und eine rollte vom Tisch und fiel auf den klebrigen Fußboden. Zu Nadines Erleichterung blieb sie ganz.
    Marewski hatte inzwischen ein anderes Ziel für seinen Zorn gefunden. Er trat nach dem Jungen. „Und was machst du hier? Schlaf endlich. Bier und meine Ruhe, ist das denn zu viel verlangt?!“ Mit diesen Worten stürmte er aus der Wohnung und schlug die Tür hinter sich zu.
    Nadines Blick wechselte von verängstigt zu hasserfüllt. Mit einem Klick der Fernbedienung stellte sie die Musik aus.
     
    Rena Karst stöckelte mit unsicheren Schritten eine Straße zwischen heruntergekommenen Mehrfamilienhäusern entlang. Die wenigen Laternen, die noch funktionierten, weil die gelangweilten, steinewerfenden Jugendlichen der Siedlung sie verfehlt hatten, beleuchteten die Szenerie nur sporadisch. Zum Glück schien der Mond hell genug, dass Rena ihren Weg halbwegs ausmachen konnte. Die Schatten zwischen den Häusern und in den Hauseingängen hätten bedrohlich wirken können — wäre sie nicht zu betrunken gewesen, um sie wahrzunehmen. Sie unterschätzte die Höhe der Bordsteinkante, stolperte und wäre um ein Haar der Länge nach auf dem Bürgersteig hingeschlagen.
    „Verdammt“, entfuhr es ihr und der Klang ihrer eigenen Stimme ließ sie aufschrecken. Doch dann zuckte sie die Schultern und betrat einen Trampelpfad, der quer über ein unbebautes Grundstück führte.
    War da ein Geräusch hinter ihr? Schritte, ein Rascheln im hohen Gras?
    Langsam, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren, drehte sie sich um.
    Das Gesicht kannte sie doch.
    „Was ist denn jetzt schon wieder?“, fragte sie genervt.
    Einen Moment später zerriss ein Schrei die Stille.
     

2
     
    Das Handy klingelte und bewegte sich vibrierend über ein Beistelltischchen. Hauptkommissar Kaha Fischer schreckte aus dem Sessel hoch, in dem er am Abend eingeschlafen war. Sein Blick fiel auf mehrere leere Bierflaschen, die auf dem abgewetzten Parkettboden ein tristes Stillleben abgaben. In einer Ecke des karg möblierten Wohnzimmers lehnte ein Skateboard an der Wand, daneben hatten es sich eine alte Stoffumhängetasche und ein Paar abgetragene Sneakers gemütlich gemacht. Das Handy hatte inzwischen die Tischkante erreicht. Kaha schnappte es sich. „Was?“, blaffte er den Anrufer an.
     
    Auch im Schlafzimmer von Hauptkommissar Christian Heim klingelte

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