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Die Herrin der Kelten

Die Herrin der Kelten

Titel: Die Herrin der Kelten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manda Scott
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dann überallhin, auf seine Stirn, seine Wangen, seinen Hals. Auch dies war etwas, was ihn an jedem anderen Tag glücklich gestimmt hätte. Seit ihre Mutter gestorben war, waren sie einander nicht mehr so nahe gewesen wie jetzt. Er war ihr Bruder, er hatte immer gewusst, dass er sie eines Tages mit einem anderen Menschen würde teilen müssen; und als er dann im Frühjahr beobachtet hatte, welche Veränderung mit ihr vorgegangen war, hatte er schon geglaubt, er hätte sie an Airmid verloren, und hatte sich daraufhin voll und ganz seinem Hund und dem Stutenfohlen zugewandt. Jetzt stellte er plötzlich fest, dass er Breaca niemals verloren hatte, sondern stattdessen einen Teil seiner selbst verlor. Da fing er zu weinen an, so hilflos und verzweifelt wie ein kleines Kind, und er vergaß vollkommen, dass er ein Krieger war und sich geschworen hatte, nicht zu weinen.
    Sie hielt ihn lange Zeit umschlungen, bis seine Tränen schließlich versiegt waren. Sein Kopf schmerzte wieder, und Breaca brachte ihm frisches Wasser und einen Strang Wolle, damit er sich das Gesicht waschen konnte. Danach hielt sie ihn auf ihrem Schoß und strich mit ihren Fingern über seine Kopfhaut, um sein zerzaustes Haar zu entwirren. Als sie die Stoppeln der kürzlich herausgeschnittenen Haarsträhne fand und kommentarlos darüber hinwegging, wusste Bán, dass Efnís alles erzählt hatte, was im Versammlungshaus passiert war. Er blickte zum ersten Mal zu seiner Schwester hoch. Sie hatte den Torques und den blauen Umhang inzwischen abgelegt, und die Kriegerzöpfe waren wieder aus ihrem Haar herausgekämmt worden, so dass es offen auf ihre Schultern herabhing, so rötlich schimmernd wie das Fell der Füchsin in seinen Pferdeträumen. Sie hatte so gar keine Ähnlichkeit mehr mit der Kriegerin, die er im Wald den rot bemalten Schild und den zerbrochenen Speer hatte schwingen sehen.
    »Ich habe dich gesehen«, flüsterte er. »Du hast die Speerkämpfer angeführt. Du hattest eine Schwertverletzung am Arm, und der Rücken deiner Tunika war voller Blut, bis ganz hinunter zum Saum.«
    »Ich weiß. Macha hat es mir erzählt.« Sie erhob sich und starrte auf den Horizont. Das seltsame, düsterrote Licht der untergehenden Sonne verlieh ihrem Gesicht und ihrem Haar dieselbe Schattierung von Rotgold. Sie sah erschöpft und abgespannt aus, so wie sie im vergangenen Winter oft ausgesehen hatte, und er blickte hastig auf ihre Hand, um zu überprüfen, ob die Wunde in ihrer Handfläche wieder aufgeplatzt war. Es hatte nicht den Anschein. Er sah wieder zu ihr auf. Den Blick noch immer auf die untergehende Sonne geheftet, sagte sie: »Ich will keine Kriegerin sein, Bán. Das ist nichts für mich. Du bist derjenige von uns beiden, der zum Krieger bestimmt ist.«
    Sie wünschte sich sehnlichst, eine Träumerin zu sein und mit Airmid nach Mona zu gehen. Das wusste er. Er hatte es schon immer gewusst. Er glaubte zwar nicht, dass es geschehen würde, aber heute war nicht die rechte Zeit, um das zu sagen. »Was ich gesehen habe, war keine Halluzination oder etwas, was ich erfunden habe«, erklärte er. »Es war wirklich so.«
    »Ich glaube dir. Und die Großmutter auch.« Breaca kauerte sich wieder neben ihn und nahm seine Hände fest in die ihren. »Sie hat deine Vision den anderen Träumern erzählt, damit sie Bescheid wissen, bevor die Ratssitzung anfängt. Diese Ratsversammlung wird sehr viel größer sein als die im vergangenen Winter; alle Träumer, Sänger und Kriegerverbandsanführer des gesamten Eceni-Volkes werden mit den Ältesten und den Großmüttern zusammenkommen. Togodubnos hat um die Erlaubnis gebeten, eine Frage vorzubringen, ein ›Gesuch‹ seines Vaters.«
    »Und? Haben sie es erlaubt?«
    »Ja. Ihnen bleibt gar nichts anderes übrig. Es ist der Tag der Götter, und jeder, der kommt, darf eine Frage stellen oder ein Gesuch einreichen.«
    Drüben am Versammlungshaus ertönte der klagende Ruf eines Horns. Breaca ließ Báns Hände los. »Ich muss jetzt gehen. Wenn das Horn zum zweiten Mal erschallt, wird der Rat zusammenkommen, und ich muss mich noch ordentlich anziehen.«
    Sie küsste ihn abermals, diesmal auf die Lider, so dass er die Augen zusammenkneifen musste. Er kicherte, und für einen kurzen Moment vergaß er seinen Kummer um das Fohlen. Als er die Augen wieder öffnete, hatte sich seine Schwester erhoben und stand ernst vor ihm. Sie sagte: »Es ist zwar nicht der Grund, weshalb ich gekommen bin, aber ich soll dir etwas von den Großmüttern

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