Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
fangen, doch mein Herz pochte so heftig, dass ich fürchtete, mein Busen würde meine Gefühle verraten. Ein befremdlicher Schwindel, hervorgerufen von Scham, Hitze und Erregung, schwächte mich, und ich hob eine Hand an meine Stirn.
»Mylady«, sagte er und stützte meinen Ellbogen, »mir scheint, wir sollten ein wenig frische Luft schnappen. Die Wärme hier drinnen ist erdrückend.«
Ich nickte lächelnd, aber leider fiel mir die Nonne ein. Sie würde nie erlauben, dass ich die Halle mit jemandem verließ, erst recht nicht einem Ritter und schon gar nicht einem Neville.
»Aber …«, begann ich und wandte mich zu unserem Tisch um.
»Wir werden um Erlaubnis bitten, wie es sich ziemt«, sagte er unüberhörbar amüsiert.
Als wir bei Sœur Madeleine ankamen, begriff ich auch, warum. Sie saß nicht mehr auf der Bank, sondern auf einem stoffbespannten Stuhl in der Ecke, den Kopf zu einer Seite geknickt und laut schnarchend. Ein Weinkelch hing lose in ihrer Hand, die tief in die Falten ihres Habits eingesunken war. Die letzten Tropfen hatten eine Pfütze neben ihrem Knie gebildet, die nun mit jedem ihrer Atemzüge auf und ab schwappte.
Ich unterdrückte mein Lachen und blickte zu dem Ritter auf.
»Ich würde meinen, Sœur Madeleine ist nicht in der Verfassung, uns die Erlaubnis zu versagen, Mylady«, sagte er zwinkernd und zeigte beim Lächeln seine unwiderstehlichen Grübchen. Als er mir die Hand hinstreckte, ergriff ich sie höchst unelegant. Der Umstand, dass ich mich an den Diener erinnerte, der stets in ihrer Nähe geblieben war und sie absichtlich in Versuchung geführt hatte, zu viel zu trinken, störte mich nicht im Geringsten.
Draußen war die Luft frisch, die Nacht wundervoll und der kleine ummauerte Garten eine tropfenverzierte Blütenpracht. Aus den offenen Fenstern der großen Halle waberte Musik herbei, als wir einen Diener mit einem Orangentablett und eine Gruppe von Höflingen und Damen passierten, die lachend um einen kleinen, von Rosen umgebenen Springbrunnen standen.
»Mir wurde erzählt, Ihr seid Lancastrianerin«, sagte er.
»Mir erzählte man, Ihr seid Yorkist und dass alle Yorkisten Frauenschänder und Mörder sind«, entgegnete ich mit einem verstohlenen Seitenblick zu ihm, als wir durch den Garten schlenderten.
Er lachte so herzlich, dass sich auf seinen Wangen Falten und, zu meinem Entzücken, auch die Grübchen zeigten. Seine dunkelblauen Augen blitzten. »Glaubt nicht alles, was Ihr hört. Es gibt einige Ausnahmen.«
Ich blickte hinunter zu dem Hund, der ihm vergnügt folgte. »Und was ist er, Yorkist oder Lancastrianer?«
»Yorkist, allerdings vergisst er es bisweilen und leckt einem Lancastrianer die Hand«, antwortete er sehr ernst, wobei jedoch sein einer Mundwinkel zuckte.
Ich lächelte, überwältigt von Glück. »Ist er stets bei Euch?«
»Immerzu, ausgenommen in Gefahr, etwa in der Schlacht … oder beim Tanz. Dann beobachtet er alles vom Zelt aus – oder von unterm Tisch. Er besitzt mehr Verstand als ich, müsst Ihr wissen.« Sir John sah mir in die Augen, und selbst im Sternenlicht fühlte ich das Feuer, das mich beim gemeinsamen Tanz erfasst hatte.
Ich wandte rasch den Blick ab. »Northumbria ist sehr schön. Ich war einmal dort«, sagte ich mit gesenktem Haupt.
»Cambridgeshire ist noch hübscher. Ich würde gern häufiger dorthin reisen.«
Nun sah ich doch zu ihm auf. Seinem verhaltenen Lächeln nach wusste er, dass ich verstanden hatte, was er meinte. Wieder errötete ich, ja, meine Wangen glühten, und ich war dankbar, dass es recht dunkel war.
Wir spazierten weiter in den Garten. Bald erhellten nicht länger Fackeln den Weg, aber es gab auch keine neugierigen Augen mehr, die uns beobachteten, einzig die funkelnden Sterne über uns. Die Musik wurde leiser, bis nur noch das Zirpen der Grillen die nächtliche Stille ausfüllte. Ich war mir seiner Nähe sehr deutlich gewahr, und eine brennende Spannung durchströmte mich und ließ mich schmerzlich nach seiner Berührung verlangen.
»Ich hatte nie die Ehre, Euren Vater kennenzulernen, möge Gott seiner Seele gnädig sein«, sagte er, »aber ich kenne Euren Onkel. Der Earl of Worcester ist ein gottesfürchtiger, gelehrter Mann.«
»Ja, ist er. Er liebt das Studium und lehrte mich früh, welche Freuden Schriften bergen.«
»Was habt Ihr gelesen?«
»Ovid, Christine de Pisan, Euripides, Sokrates, Homer und Plato und …«
»Meiner Seel’!«, rief er lachend. »Das ist eine rechte Sammlung, obgleich ich es bei
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