Die Herrin der Rosen - Historischer Roman
der Nichte eines solchen Mannes nicht anders erwarten würde. Leider kam ich nicht in den Genuss, größere Werke zu lesen, es sei denn, Ihr zählt De Rei Militari mit dazu.«
Seine Erwähnung eines der bedeutendsten Werke zur Kriegsführung stimmte mich traurig, enthüllte sie mir doch etwas, das ich aus seinem Auftreten niemals folgern würde. Die Bürde der Gegenwart lastete schwer auf diesem Ritter, so unbekümmert er auch reden mochte. Und ich fühlte, dass sein sorgloses Äußeres das tiefsinnige, nachdenkliche Wesen eines Mannes maskierte, der viel grübelte. Prompt ging mir das Herz auf.
»Habt Ihr gewusst, dass wir verwandt sind, Lady Isobel? Euer Onkel, der Earl of Worcester, wurde einst mit meiner Schwester Cecily vermählt – Gott habe sie selig!«
Ungläubig sah ich ihn an. Nein, das hatte ich nicht gewusst.
»Natürlich ist es viele Jahre her, als er Lord Tiptoft war und noch nicht Earl of Worcester. Meine Schwester war seine erste Frau, und sie waren nur wenige Monate verheiratet, bevor sie starb.«
Ich murmelte mein Beileid, immer noch verblüfft ob dieser Neuigkeit. »Das wurde mir nie erzählt«, sagte ich. »Ich entsinne mich lediglich meiner Tante Elizabeth. Sie starb, als ich noch klein war.«
Er lächelte betrübt. »Elizabeth Greyndour war seine zweite Gemahlin. Ihr wart noch ein Säugling, als er und meine Schwester vermählt wurden, und ich würde sagen, dass verwandtschaftliche Beziehungen zu Yorkisten nichts sind, womit man sich dieser Tage brüstet.«
Hierauf antwortete ich nicht, weil ich es nicht leugnen konnte und ohnedies noch mit der Eröffnung haderte, dass unsere Familien durch Heirat verbunden waren – nicht zu vergessen die Hoffnung, die diese Tatsache in meinem Busen weckte.
»Euer Onkel ist als Abgesandter in Irland, wie ich hörte. Wie geht es ihm?«, erkundigte er sich.
»Oh, gut«, sagte ich deutlich munterer, denn mein Herz hatte sich mit der Neuigkeit arrangiert, und Freude regte sich in mir. »Er schrieb, dass er eine Pilgerreise nach Jerusalem plane, wenn er aus Irland zurück ist, und vielleicht einige Zeit in Padua verbringen wolle, um die Schrift, Latein und Griechisch zu studieren.«
»Ja, richtig, das erzählte er mir auch, bevor er im letzten Jahr aufbrach. Ich glaube, er wollte Ovid aus dem Lateinischen übersetzen.« Plötzlich fragte er: »Wie alt seid Ihr?«
Als ich zögerte, grinste er. »Falls Ihr wegen Rufus besorgt seid, kann ich Euch versichern, dass er es keinem verraten wird.«
Ich konnte nicht anders, ich musste lachen. »Fünfzehn«, antwortete ich, sobald ich mich wieder gefangen hatte.
»Stimmt es, dass Ihr ein Mündel von Marguerite d’Anjou seid?«
Die Wirkung dieser Frage auf mich hatte ich unmöglich vorhersehen können. Mit einem Schlag rief sie mir in Erinnerung, dass Nevilles bei Hofe nicht wohlgelitten waren, woraufhin mein hübscher Fantasiekokon zerriss und ich jäh in die Wirklichkeit zurückgeworfen wurde. Vielleicht klärte auch die frische Luft mein Denken und erschütterte jene Gefühle in mir, die einer zügellosen Maid in einer Taverne besser angestanden hätten; oder es waren die Worte meines Vaters, die mir einfielen: »Strebe nicht zu hoch hinaus; verlange nicht zu viel! Der größte Kummer ist der, den wir uns selbst bereiten.«
Wie auch immer, wurde ich mir inne, wie unbesonnen und närrisch ich gewesen war. Die Heirat, die einst unsere Familien verbunden hatte, war Geschichte, ein Band, das längst gekappt worden war. Die Zeiten hatten sich geändert, der Hass sich gefestigt, und die Kluft, die uns trennte, war so unüberbrückbar wie die stürmische See. Dieser Ritter gehörte einer der mächtigsten Familien des Christentums an und war mit der Königin verfeindet, der ich gehörte. Wie konnte ich sicher sein, dass er nicht zur Belustigung mit mir spielte und mich als Instrument benutzte, um die von ihm verachtete Königin zu beschämen? Und selbst wenn dem nicht so war, was zählten schon seine angenehmen Eigenschaften? Für mich war und blieb er so unerreichbar wie die Sterne über uns. Ich hatte meine Stellung vergessen, zu hoch gegriffen und nach dem Unmöglichen verlangt. Die Götter antworteten mir, indem sie mir Feuer sandten. Ich musste fort, solange noch Hoffnung auf Genesung bestand. Meine Amme hatte recht gehabt: Ich war unvernünftig, närrisch und wild. Wann würde ich endlich klug werden?
»Mylord, es ist wahr, dass ich ein Mündel der Königin bin. Wir dürfen nicht hier sein, wie Ihr sehr wohl
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