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Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Die Herrin der Rosen - Historischer Roman

Titel: Die Herrin der Rosen - Historischer Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Worth
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wisst. Deshalb bitte ich Euch, mich zu meiner Beschützerin zurückzubringen und zu vergessen, dass wir uns begegnet sind.« Die Worte waren wie Steine auf meiner Zunge.
    Für einen Moment schaute Sir John seltsam befremdet drein und rührte sich nicht. Dann jedoch richtete er sich zu seiner vollen Größe auf und sagte in einem Tonfall, der mir das Herz durchbohrte: »Ihr habt recht, Mylady. Bitte verzeiht mir! Ich geleite Euch umgehend zurück.« Er bot mir steif seinen Ellbogen an, und ich legte meine Hand so sacht auf seinen Ärmel, als berührte ich heißes Eisen. Stumm gingen wir durch den Garten zurück in die große Halle, die wir niemals hätten verlassen dürfen.
    In jener Nacht schlief ich nicht. Ich lag in der Dunkelheit und weinte in mein Kissen, während ich dem Schnarchen von Sœur Madeleine lauschte und die Glockenschläge zum Ende jeder Stunde zählte. Nie würde ich die köstliche, überwältigende Süße des Tanzes vergessen, aber die Zeit würde diesen Jammer heilen und das Leben weitergehen. Dessen war ich gewiss, weil es in den Büchern stand.
    Der Morgen brach sonnig und schön heran, nur verursachte mir der fröhliche Gesang der Lerche Herzeleid und jagte mir Furcht ein. Letztere war unnötig, wie sich erweisen sollte, denn Sir John Neville frühstückte nicht mit uns in der großen Halle. Wie ich hörte, war er mit dem ersten Hahnenschrei fortgeritten. Ich hatte keinen Appetit und nagte lieblos an einem Brot, das zu essen Sœur Madeleine mich zwang. Wir standen im Innenhof und sahen zu, wie die Stallburschen unsere Pferde sattelten. Das Gebell der Hunde betrübte mich auf eine bis dahin ungekannte Weise. Als die Glocke zur Prim läutete, brachen wir auf. Hinter uns fiel das Burggatter zu. Der rote Ziegelsteinbau wurde kleiner und kleiner, je weiter wir ritten, und unsere Mitreisenden wurden weniger. Die Holzhäuser des Dorfes um die Burg wurden von vereinzelten Cottages abgelöst, von Feldern und Scheunen, bis schließlich offene Moorlandschaft vor uns lag. Beim Anblick der hohen Gräser und Blumen, die sich in der Sonne wiegten, und umgeben von einer Stille, die nach dem bunten Treiben in der Burg nachgerade grotesk anmutete, überkam mich das schaurige Gefühl, ich würde in eine unendliche Ödnis reiten. Die Hufe meines Zelters klopften auf der Straße, klippedi-klapp, klippedi-klapp, und ihr Pochen wurde zu einem Dröhnen in meinen Ohren. Unwillkürlich ließ ich das Pferd langsamer gehen, fiel hinter den anderen zurück und blickte nach hinten, vorbei an der Sommerheide nach Tattershall Castle.
    »Gestern Abend konntest du gar nicht aufhören, zu tanzen und zu lachen, und nun bist du still wie ein Mäuschen, wenn die Katz’ naht«, sagte Sœur Madeleine, die sich in ihrem Sattel zu mir umdrehte. »Was ist dir, ma chérie?«
    Ich konnte nicht antworten. Überhaupt glaubte ich, nie wieder sprechen zu wollen. Tränen beschwerten mir das Herz und machten meine Augen blind. Mein Zelter schloss mit dem Pferd der Nonne auf, und ich senkte den Kopf, damit sie mein Gesicht nicht sah.
    Sœur Madeleine streckte einen Arm aus und drückte meine Hand. »Du bist jung, meine Kleine«, sagte sie leise. »Eines Tages kommt ein anderer und lässt dich vergessen.«
    Da blickte ich doch zu ihr, und mir war, als sähe ich sie zum ersten Mal richtig.

3
    A UGUST 1456
    Im strömenden Regen rannte ich einen Hügel aus Geröll und Dornensträuchern hinunter, unfähig anzuhalten. Ich wusste nicht, wohin ich lief, nur dass ich der Kreatur entkommen musste, die mich verfolgte. In blankem Entsetzen warf ich einen Blick hinter mich. Mein Herz pochte wild, und mein Puls war ein tosendes Rauschen in meinen Ohren. Aber in der Dunkelheit konnte ich nichts erkennen. Wo ist Zuflucht, wo Schutz? Falls mich dieses Ding einholte, drohte mir ein unaussprechliches Los! Allein der Gedanke verlieh meinen Füßen Flügel, doch leider wurde der Untergrund matschig und unsicher. Aus dem Nichts ragten knorrige Wurzeln auf, erwachten zu schauerlichem Leben, griffen seufzend nach mir und wollten meine Flucht durch die Finsternis bremsen. Ich schluckte meine Schreie herunter und lief weiter; dabei stolperte ich mehrmals und wäre fast gefallen. Überall um mich zerrissen laute, schluchzende Rufe und jämmerliches Stöhnen die Luft und steigerten meine Panik in unermessliche Höhen. Ich hielt mir die Ohren zu, um sie nicht zu hören. Plötzlich konnte ich nicht weiter, weil mir etwas den Weg versperrte. Seltsamerweise fühlte ich jedoch

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