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Die Herrin von Sainte Claire

Die Herrin von Sainte Claire

Titel: Die Herrin von Sainte Claire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emily Carmichael
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an ihre Stiefschwester. Das angedeutete Lächeln auf ihrem Gesicht bestätigte ihr nur die Unaufrichtigkeit dieses Mädchens. »Wir werden mit dem Haushalt in den Bergfried umziehen, Gunnor. Wenn wir einmal dort sind, bleibst du innerhalb der Mauern. Nein!«, unterbrach sie Gunnors gestammelten Einspruch. »Du kannst sagen, was du willst. Schließlich machst du keinen Hehl aus deiner Zuneigung zu Gilbert, auch wenn du seine Pläne vielleicht nicht gekannt hast. Ich werd’ nicht die Dummheit begehen, dir zu vertrauen. Setzt du auch nur einen Fuß vor den Bergfried, wenn Gilbert einen Tagesritt entfernt von dieser Burg ist, lasse ich dich bei den Ohren wieder hereinschleifen. Ich schwöre, das werde ich! Achte auf meine Worte!«
    Sie gab Gunnor keine Gelegenheit, zu widersprechen, sondern erhob sich und verschwand. Gunnor starrte ihr wütend nach. Ruth hingegen schien belustigt. Schließlich brabbelte die alte Hebamme fröhlich vor sich hin und brach sich ein weiteres Stück Brot von dem Laib auf dem Tisch. Sie drehte sich zu Gunnor und entblößte ihre Zahnlücken mit einem Grinsen.
    »Befolgt lieber, was meine Herrin Euch sagt«, warnte sie mit einem spöttischen Zwinkern. »Sie ist kein sanftes und ängstliches Mädchen, wißt Ihr. Es würde mich nicht wundern, wenn Sie Euch in die dunkle Zelle im Wachtturm einsperrt, wenn Ihr sie ärgert, oder noch besser, Euch an den Daumen aufhängt, bis Ihr Eure Missetaten mit dem schurkischen Ritter da draußen hinausschreit.«
    »Halt den Mund, du alte Hexe«, zischte Gunnor. Mit gespielter Würde eilte sie aus dem Saal, immer noch mit einem leisen Triumph in den Augen.
    An diesem Tag setzte Gilbert nicht zum Angriff an. Die Dorfbewohner strömten wie eine verängstigte Gänseschar in den Burghof. Sie trieben Schafe, Rinder, Federvieh und Ziegen vor sich her und schleiften ihre jammernden Kinder mit sich. Die wenigen, die einen Karren besaßen, hatten ihn vollbeladen mit ihrem armseligen Haushaltsgütern, andere schleppten Bündel mit ihrem kostbarsten Besitz auf dem Rücken oder unterm Arm. Der äußere Burghof verwandelte sich in eine wogende Masse von Menschen und Tieren, Staub wirbelte unter ihrem Getrampel auf. Hastig errichtete man Holzverschläge an der äußeren Burgmauer unter dem hervorspringenden Wehrgang. Zerlumpte Kinder mit verschmierten Gesichtern weinten, lachten, tobten und standen jedermann im Weg. Erwachsene brüllten, stritten und klagten. Schafe, Ziegen, Rinder trugen zum allgemeinen Tumult bei. Und überall standen die Krieger mit mürrischen, ungeduldigen Gesichtern und scheuchten die Kinder und Hühner zwischen ihren Beinen weg.
     
    Keinerlei Grund zur Angst, versicherte Guillaume mit Nachdruck. Schon gar nicht Grund zur Sorge. Gilbert würde es nicht einmal gelingen, die äußere Burgmauer zu passieren. Doch der Ausdruck auf dem erschöpften Gesicht des Ritters bei seinen Beteuerungen, konnte sie nicht beruhigen.
    Tage vergingen, dann war eine Woche verstrichen. Gilbert schickte immer wieder Männer an die äußere Burgmauer zum Angriff. Behältnisse wurden an den Zinnen befestigt, und die Krieger von Brix empfingen die Angreifer mit siedendem Pech, brennendem Öl und einem Hagel tödlicher Pfeile sowie mit den Exkrementen von Mensch und Tier, die sich schon in großen Mengen im Burghof angesammelt hatten. Berge von Toten und schreienden Verletzten häuften sich vor den Mauern. Alaine fragte sich besorgt, woher Gilbert seine Kampftruppe mit immer neuen Kriegern versorgte. Auf Prestot jedenfalls verfügte er nicht über eine so große Reserve. Ihre einzige Vermutung war, daß Phillip, wo immer er in England Zuflucht gefunden hatte, ihn mit Männern und Proviant belieferte. England verfügte durchaus an mächtigen Herren, die ihre Herrschaft liebend gerne auf die Normandie ausweiten würden. Einige von ihnen über dem Kanal beobachteten den jungen William schon lange Zeit mit argwöhnischen Augen und würden sofort zuschlagen, sollte sich ihnen die Gelegenheit bieten, ihn zu vernichten.
    Ein Tag folgte dem anderen, doch die Mauer hielt stand. Der Rammbock konnte dem großen, festen Tor und dem Fallgatter nichts anhaben. Das tödliche Feuer von den Mauertürmen forderte sein schmerzliches Tribut unter der vermeintlich unerschöpflichen Zahl von Gilberts Männern.
    Innerhalb der Mauern befanden sich die Burginsassen immer noch in Sicherheit, wenn auch in gedrückter Stimmung. Scharen von Vieh und verängstigten Männern, Frauen und Kindern trugen nicht

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