Die Herrschaft der Drachen 03 - Blasphet
atmete er erleichtert aus und kicherte. Es war nur Balikan, der junge Sklavenjäger, den er ausbildete und der jetzt vom Himmel schwebte, um sich zu ihm zu gesellen. Die Aasfresser wichen sogar noch ein Stückchen weiter zurück, aber Vulpinus war froh über sein Auftauchen.
Balikan rümpfte bei dem Gestank angewidert die Nase. Die Leichen verwesten noch nicht, aber Gedärme hatten sich entleert, und die vielen Gallonen Blut, die in den Kies gesickert waren, verströmten ihren ganz eigenen Geruch. Vulpinus hatte es beinahe nicht bemerkt; er hatte so oft mit Leichen zu tun, dass er den Gestank kaum noch wahrnahm.
»Bei den Gebeinen«, sagte Balikan leise. »Wer könnte so etwas getan haben?«
»Das, mein junger Freund, ist eine hervorragende Frage.«
»Ich sehe Shays Leiche nicht. Könnte er …?«
»Das bezweifle ich«, sagte Vulpinus. »Shay hat nie in seinem
Leben einen Bogen in der Hand gehabt. Und er hat auch nie besonders viel Rückgrat gezeigt. Vermutlich hat er um Gnade gewinselt, als die Sklavenjäger ihn erwischt haben. Diese Drachen sind von anderen getötet worden. Von Wesen, die sich zwischen den Bäumen versteckt gehalten haben müssen.«
Balikan musterte das steile Ufer; sein Blick schoss von Ast zu Ast.
»Ich glaube nicht, dass sie noch da sind«, sagte Vulpinus. »Dieses Leichen sind mindestens zwölf Stunden alt. Vielleicht sogar sechzehn.«
»Woran erkennst du das?«
Vulpinus stieß mit seiner Hinterklaue an die verrenkte Klaue der nächsten Leiche. »Sie sind ganz sicher nicht heute gestorben. Diese Leichen sind kalt und steif; es dauert einige Stunden, bis die Körperwärme sich verliert, auch wenn das an einem feuchten Flussufer in einer einzigen kalten Nacht geschehen kann. Die Leichenstarre setzt nach und nach ein, und das Ausmaß, in dem diese Gliedmaßen sich verkrampft haben, verrät mir, dass sie ihren Höhepunkt noch nicht erreicht hat. Auch die Bussarde sind noch nicht sehr weit gekommen, was beweist, dass es nicht länger als einen Tag her ist.«
Balikan zitterte. »Ich habe noch nie so viele Tote gesehen.«
»Daran solltest du dich gewöhnen«, sagte Vulpinus. »Du wirst in der nächsten Zeit noch mehr sehen.«
»Wieso?«
»König Albekizan hat sein Königreich beinahe ein halbes Jahrhundert lang stabil gehalten. Jetzt ist er tot, und sein Sohn hat kaum einen Monat überstanden, ehe ein Mensch ihn umgebracht hat. Die Menschen haben ihren Vorteil aus den instabilen Verhältnissen gezogen und Drachenschmiede erobert, das gleich westlich von hier liegt.« Er deutete auf die bräunliche Färbung am Himmel, die den Standort der fernen Schlote
verriet. »Ich vermute, dort ist auch Shay mit Chapelions Büchern. «
»Dann ist er für immer entkommen«, sagte Balikan.
»Unsinn«, sagte Vulpinus. »Mir sind im Laufe der Jahre nur wenige Sklaven entwischt. Ich kann nicht behaupten, fehlerlos zu sein. Aber ich habe nie einen Sklaven entkommen lassen, wenn ich noch eine Spur hatte, nur weil es gefährlich gewesen wäre, dieser Spur zu folgen. Drachenschmiede ist ein Magnet für Sklaven. Shay und diese beiden Narren gehörten zu den ersten, die von den Gerüchten gehört haben und deshalb weggelaufen sind, aber sie werden nicht die letzten sein. Unsere Arbeit wird sehr viel schwieriger werden, wenn die Menschen Drachenschmiede halten können. Es ist absolut nötig, dass wir Himmelsdrachen jetzt alles tun, um diese Rebellion im Keim zu ersticken.«
»Aber die Menschen haben eine Armee von Sonnendrachen besiegt!«, sagte Balikan. »Sie haben Tausende von Erddrachen getötet. Wieso sollte es uns besser ergehen als ihnen?«
Vulpinus lachte leise. »Einen Erddrachen zu übertrumpfen ist nicht so schwer. Nach meiner Erfahrung ist der durchschnittliche Mensch doppelt so klug wie ein Erddrache. Sonnendrachen mögen so klug wie Menschen sein, aber sie sind auch Tyrannen. Sie sind es gewöhnt, Kämpfe aufgrund ihrer Größe zu gewinnen, aber wenn ein paar von ihnen verletzt werden, ziehen die Übrigen den Schwanz ein und laufen weg. Sie wissen nicht wirklich, was Mut ist, oder was Strategie bedeutet, weil beides für sie nie wichtig war. Da die Evolution ihnen die tödlichsten Kiefer in der ganzen Fresskette gegeben hat, sind sie daran gewöhnt, alle Probleme mit den Zähnen zu lösen. Wir Himmelsdrachen sind aus anderem Holz geschnitzt. Unsere Hirne mögen nur halb so groß sein wie die von Sonnendrachen, aber wir machen uns tatsächlich die Mühe, sie zu benutzen.
Wir studieren die Welt. Wir
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