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Die Hexe von Paris

Titel: Die Hexe von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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gebot zu warten, wurde das Portal aufgestoßen, und die ersten Kirchgänger schlenderten heraus. Ich versuchte, mich zwischen ihnen in die Kirche zu drängen, doch da fuhr die schwarze Kutsche vor und hielt vor dem Kirchenportal. Ich verkroch mich hinter einer stattlichen Frau in Halbtrauer, indes die Musketiere Aufstellung nahmen und Desgrez mit einem Begleiter entschlossen zum Portal schritt.
    Madame trug ihr elegantes grünes Kleid, darüber einen pelzverbrämten Umhang mit Kapuze. Ihre Hände steckten in einem Pelzmuff, und ein Paar geschickt gefertigter schmiedeeiserner Stelzen schützten ihre hübschen Glaceschuhe vor dem Straßenschmutz. Sie blieb nicht stehen, als sie Desgrez erblickte, sondern reckte das Kinn und blickte verächtlich drein, wie es eine Hausfrau tun mag, wenn sie eine Maus durch die Küche einer anderen Frau laufen sieht. Die Leute waren stehengeblieben, um die Szene zu beobachten.
    »Madame Montvoisin, nehme ich an?« sagte Desgrez.
    »Die bin ich«, erwiderte La Voisin.
    »Ich verhafte Euch im Namen des Königs«, verkündete Desgrez.
    Da erhob sich ein Murren unter der Menge, und eine Frau rief: »Was tut Ihr? Sie ist eine anständige Frau!«
    »Ja, ja!« rief eine andere Stimme. »Sie unterstützt ihre alte Mutter!«
    »Verhafte deine eigene Mutter, Polizeihund!« schrie ein Mann.
    »Musketiere!« rief Desgrez. Und an die Menge gewandt: »Zerstreut euch, bevor ihr alle als Aufrührer erschossen werdet. Ihr behindert die Gerechtigkeit des Königs!« Indes die Musketiere die Menge zurücktrieben, drängten Desgrez und sein Begleiter La Voisin in die Kutsche. Plötzlich packte mich die Angst. Die Rechnungsbücher, fuhr es mir siedendheiß durch den Kopf. Ich kämpfte mich durch die Menschenmenge und stellte fest, daß meine Sänfte verschwunden war – der Anblick der Polizei mußte die Träger vertrieben haben. Ohne auf meine Schuhe zu achten, eilte ich durch den Frühjahrsschlamm zum Haus in der Rue Beauregard. Zu spät. Die Siegel waren angebracht. Zwei Wächter standen vor der Haustüre. Als ich zum Seiteneingang wollte, wurde ich kräftig von hinten gepackt; jemand hielt mir den Mund zu und zog mich in eine Gasse.
    »Leise, du Dummkopf. Ich wußte, daß ich dich hier finden würde.«
    »Flo –«, murmelte ich, aber seine Hand brachte mich zum Schweigen.
    »Sprich meinen Namen nicht«, zischte er. »Die Polizei ist überall. Die Kutsche ist in der nächsten Straße versteckt. Hier entlang, und sei leise.«
    Wir eilten durch die Gasse und von dort auf die Rue de la Lune. Er schob mich in die Kutsche und schwang sich neben mich.
    »Die Bücher, Florent, der Kontrakt. Ich bin verloren.«
    »Keine Bange, wir verlassen die Stadt trotzdem.«
    »Das kann ich nicht, Florent. Die Polizei kennt mich, an der Grenze haben sie meine Beschreibung. Bestimmt haben sie schon Befehl, mich zu verhaften. Es gibt nur eine Möglichkeit. Nimm alle Sachen und gehe ohne mich. Gott weiß, ich brauche nichts mehr davon.«
    »Geneviève, was redest du da?«
    Ich klammerte mich an ihn und sagte unter Tränen: »Du mußt auf der Stelle fort. Verliere nicht meinetwegen dein Leben. Und wenn du dich wieder vermählst, nenne eine Tochter nach mir und denke daran, ich habe dich geliebt –«
    »Geneviève, meine Liebste«, sagte er zärtlich und nahm mich in seine Arme. »Gott weiß, wie sehr ich mich nach einem Beweis gesehnt habe, daß deine Liebe so stark ist wie meine. Nun trockne deine Tränen. Ich könnte und wollte nicht ohne dich fortgehen. Ich habe den Kontrakt und den Band P von ihren Hauptbüchern. Ich bin heute morgen hergekommen, um sie Antoine Montvoisin für hundert Livres abzukaufen. Als ich gestern abend hörte, was du erzähltest, da wußte ich, daß das meine größte Chance war.«
    »Du hast sie gekauft? Du hast sie?« Mein Herz fing heftig zu klopfen an, und ich sah ihm ungläubig ins Gesicht.
    »Nun ja, mehr oder weniger gekauft. Ich habe ihn bestochen und sodann den Schrank aufgebrochen. Die Schlösser waren nicht schwierig – ich bin schließlich der Sohn eines Uhrmachers und kenne mich mit Mechanismen aus.«
    »Dann ist Montvoisin geflohen? Und Marie-Marguerite?«
    Er schüttelte den Kopf. »Beide in Gewahrsam, leider. Montvoisin hielt vor dem Kabinett Wache. Als ich das Klopfen an der Eingangstüre hörte, stopfte ich das Zeug in mein Hemd und ließ mich aus dem Fenster fallen. Dabei hätte ich mir die Beine brechen können. Aber ich hatte recht daran getan, denn die Polizei war bereits am

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