Die Hexe von Paris
fliehe, und euch in eurer Höhle in Ruhe lassen. Aber der ausländische König und seine Edelleute werden mich beschützen. Dann wird die Polizei aufgeben. Der Dauphin, dieser idiotische Fettkloß, wird regieren, und die Ermittlungen werden eingestellt. Die Politik wird sich wandeln. Nein, hierfür werde ich nicht brennen. Und überdies, sobald ich mich im Ausland zur Ruhe gesetzt habe, ist genügend Zeit, das Bild zu verändern.« Sie schien selbstzufrieden. Dann sah sie mich an und schüttelte den Kopf. »Die kleine Marquise hat wieder einmal alles durcheinandergebracht.«
»Dann kann ich nichts mehr tun, um es dir auszureden?« La Trianons Stimme klang wehmütig.
»Nein. Gehe nach Hause, gehe schlafen. Deine Nerven sind überreizt. Du hast nie über die geistige Kraft verfügt, große Werke zu planen. Und du, Mademoiselle – gehe nach Hause zu deinem Opium und deinem weichen Bett mit diesem unnützen Spieler, und belästige mich nicht weiter mit deinen Visionen. Hinaus mit euch beiden. Ich habe Pläne zu machen.« Sie öffnete die Türe ihres Kabinetts und scheuchte uns hinaus, wie man Küken scheucht. Dann schloß sie die Türe hinter uns und blieb alleine in ihrem Kabinett zurück.
»Ihr habt sie nicht überzeugt«, flüsterte der alte Montvoisin, als wir aus dem Kabinett traten, und zupfte mich am Ärmel.
»Nein«, erwiderte ich. La Trianon sah den knitterigen kleinen Mann böse an und rauschte in den großen Salon, um auf mich zu warten.
»Dann sind wir verloren. Meine Tochter, mein Enkel. Ich habe nicht einen Sou bares Geld. Sie hat alles eingeschlossen, aus Angst, daß wir sie an die Polizei verraten und fliehen. Sie verraten? Wie sollte mir das in den Sinn kommen? Aber fliehen, ja, das würde ich. Mit meinem Kind, an einen sicheren Ort auf dem Lande. Meine Frau ist wahnsinnig, sie wird uns vernichten. Habt Ihr nicht ein wenig Geld? Einhundert Livres? Ich will es von Euch leihen, ich habe ungefaßte Edelsteine als Sicherheit. Smaragde, Diamanten. Sie sind mehr wert als der Betrag, das versichere ich Euch.« Seine Mitleid heischende Jammergestalt verursachte mir eine Gänsehaut.
»Ich habe nicht soviel bei mir, aber ich werde nachsehen, ob ich es zu Hause habe. Ich bin nicht mehr so wohlhabend wie einst –«
Ich mußte fort von seinem Gewinsel. Ich war zu allem bereit, wenn er nur meine Ärmel losließ.
»Ah, Gott segne Euch. Kommt morgen hierher – Sonntagmorgen, da geht sie zur Messe. Sie wird nichts merken.« Ich befreite mich und floh mit La Trianon in die Kutsche.
»Oh, wie habt Ihr Euch verspätet, Madame. Euer – Gemahl wollte uns schon auf die Suche nach Euch schicken. Aber wir haben ihm gesagt, Ihr wüßtet meistens, was Ihr tut.« Sylvie hatte mein Korsett aufgeschnürt und bürstete nun mein schwarzes Kleid aus, ehe sie es weghängte. D'Urbec rekelte sich auf dem Bette, er tat, als lese er beim Schein einer Kerze Marcus Aurelius, doch er hörte genau zu.
»O Sylvie, es war entsetzlich. Ich habe klar und deutlich gesehen, wie Madame bei lebendigem Leibe verbrannt wurde. La Trianon und ich gingen zu ihr, um sie zu warnen, aber sie sagte, es sei Unsinn, und hat uns hinausgescheucht. Und dieser gräßliche Antoine hielt mich am Ärmel fest, so daß ich nicht fortkonnte. Er möchte hundert Livres, um sie zu verlassen und sich mit seiner Tochter und seinem Enkel in der Provinz zu verstecken. Ich habe ihm gesagt, ich wolle es mir überlegen, nur um ihn loszuwerden, und er hat mir aus Dankbarkeit die Hand geküßt.«
»Da ist es kein Wunder, daß Ihr Euch so gründlich die Hände gewaschen habt, als Ihr nach Hause kamt.«
»Soso«, meinte Florent vom Bett aus, »du behauptest weiterhin, Visionen zu haben? Würdest du das Opium aufgeben, hättest du diese Probleme nicht.«
»Ach du! Ich schränke es ja längst ein. Ich wollte dich damit überraschen, aber nun hast du es verdorben.«
»Einschränken? Eine schöne Einschränkung. Ich sehe am Ende des Monats noch genauso viele leere Flaschen.« Florents Ton war neckend, aber ich hörte seine Enttäuschung heraus.
»Nein, ich habe mich selbst überlistet. Jedesmal, wenn ich mir einen neuen Vorrat hole, lasse ich die Rezeptur schwächer machen. Sie ist jetzt nur noch ein Viertel so stark wie früher. In einem Monat kann ich vielleicht ganz darauf verzichten. Ich habe die Kopfschmerzen vor dir verborgen. Ich wollte, daß du mit mir zufrieden bist.«
»Weil du dachtest, daß ich es nicht schon wäre? Wann wirst du mir glauben, daß meine
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