Die Hexenadvokatin
München nicht.
Tatsache bleibt in jedem Fall, dass Ihr mich vor sämtlichen Herrschern Europas aufs Empfindlichste blamiert habt, Gräfin! Wenn Euer Betrug bekannt wird - und das wird er zweifelsohne -, dann werden meine Gegner, vornehmlich die protestantischen, sich über mich totlachen, dass ich so bodenlos dumm war, Eure Scharade nicht zu durchschauen! Und das macht mich, zugegebenermaßen, enorm wütend«, grollte der Herzog. Sein Gesicht lief erneut zornrot an.
»Ich kann förmlich hören, wie Maria de Medicis Stimme in lauter Manier durch die Korridore des Louvre gellt, was für ein grand idiot dieser bayerische Herzog doch ist …«, malte Maximilian nicht ohne eine gewisse Theatralik aus.
Alberta sank indes in ihrem Sessel in sich zusammen. Natürlich, der ungeheure Stolz des Fürsten war durch sie maßlos gekränkt worden. Es war mehr als begreiflich, dass Maximilian sich auf den Arm genommen fühlte. Wie hatte Pater Winfried sich neulich zwar sehr derb, aber höchst treffend ausgedrückt? »Regelrecht verarscht wird der Herzog sich vorkommen«, hatte er gemurmelt, »wenn er irgendwann herausbekommt, dass ihn ein junges Weibsbild so hereingelegt hat.«
KAPITEL 71
17. Mai 1612, das Strafgericht des Herzogs geht weiter
NUR DER GEDANKE an den guten Pater Winfried flößte Alberta ein Gefühl der Beruhigung ein. Immerhin müsste dieser jetzt mit den beiden entführten »Hexen« schon eine ordentliche Strecke zurückgelegt haben. Falls alles gutginge, würde es der »Eisenhans« erst am kommenden Morgen bemerken, dass die beiden Vöglein aus dem Nest geflogen waren.
Alberta konnte sich zwar denken, dass man in Kürze eins und eins zusammenzählen und ganz schnell die Farce mit den »an der Pest Verstorbenen« durchschauen würde; aber sie würde trotzdem schamlos lügen. Das war sie den armen Frauen einfach schuldig.
»Bei all den Sünden, die ich bereits begangen habe, kommt es auf die eine nun auch nicht mehr an«, dachte sie kaltblütig. In diesem Falle - und da war sie sich ganz sicher - heiligte der Zweck die nicht ganz sauberen Mittel. Diese gute Tat, die Rettung harmloser Menschen vor dem Irrwitz einer verblendeten Justiz, musste sie unbedingt noch als Krönung ihrer Tätigkeit vollbringen: Sie wollte sich als »Hexenadvokatin« bestätigt sehen.
Beinahe überhörte sie, was der Herzog gerade äußerte. Mit treuherzigem Blick gestand sie: »Durchlaucht, verzeiht, das habe ich jetzt nicht ganz verstanden.«
»Ich habe gesagt, Gräfin, dass Ihr meinetwegen die Heimreise an den Chiemsee antreten könnt. Und zwar für eine sehr lange Zeit. Um die Wahrheit zu sagen, ich möchte Euch überhaupt nicht mehr in München sehen.«
Er musterte sie scharf von oben bis unten. »Ihr, in Frauengewändern! Das gäbe einen Volksaufstand in der Stadt und
den wollen wir uns beide ersparen. Ich darf doch davon ausgehen, dass Eure Zeit ›als Mann‹ hiermit beendet ist, Gräfin?«
Das Letztere klang wiederum sehr drohend. Aber Alberta reagierte dieses Mal blitzschnell. Hier bot sich die Gelegenheit, dem Herzog die nächste Neuigkeit »schonend« beizubringen:
»Selbstverständlich, Durchlaucht! Mit großem Vergnügen sogar. Ihr müsst nämlich wissen, dass ich in Kürze zu heiraten gedenke.«
»Wie bitte? Wiederholt das noch einmal!«
Der Herzog blickte vor Überraschung fast dümmlich drein; selbst sein Beichtvater zuckte schmerzlich zusammen und sogar der Hofnarr ruckte kurz mit seinem übergroßen Kopf, ehe er zu grinsen begann.
Alberta musste trotz der angespannten Situation unwillkürlich lachen.
»Keine Sorge, meine Herren! Es hat schon alles seine Richtigkeit: Ich bin mit einem österreichischen Edelmann mit italienischen Wurzeln verlobt, der sehr wohl um meine wahre Natur weiß. Ich habe den Baron Albrecht von Hochfelln-Tausch seinerzeit in Venedig kennengelernt, als ich Gemälde berühmter Maler für die Kunstkammer Eurer Durchlaucht eingekauft habe«, fügte sie erklärend hinzu.
»Und Eure Eltern wissen davon und billigen es.« Maximilians lapidarer Einwurf klang weniger wie eine Frage, sondern vielmehr wie eine Feststellung.
»So ist es, Durchlaucht. Wir haben es ihnen gesagt. Nur meine jüngeren Geschwister haben davon noch keine Ahnung.« Eine Zeit lang herrschte Schweigen im Beratungszimmer des Herzogs. Zuletzt, als es bereits anfing, unerträglich peinlich zu werden, raffte sich der Herzog zu einer Erwiderung auf.
»Nun, so werden wir beide morgen früh auf Reisen gehen, Gräfin. Ich
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