Die Hexenadvokatin
Der wich ihren Augen keineswegs aus, schüttelte jedoch energisch sein schmales Haupt.
»Nein, mein Kind! Meine Lippen waren versiegelt. Niemals würde ich das heilige Beichtgeheimnis verletzen. Das solltet Ihr eigentlich wissen! Ein anonymes Schreiben, verfasst von einem aus Eurer Dienerschaft, war es, das Seine Durchlaucht über den skandalösen Sachverhalt aufgeklärt hat.«
»Genau so verhält es sich«, stimmte der Herzog zu. »Obwohl ich normalerweise keine anonymen Briefe lese - und ihnen noch viel weniger Glauben schenke -, habe ich bei dieser Nachricht keinen Augenblick an ihrem Wahrheitsgehalt gezweifelt.«
Auch der Pater wusste, dass Maximilian log. Seine Neugier und sein Wille zur totalen Überwachung verleiteten ihn stets dazu, auch den absurdesten Anschuldigungen, die von unbekannter Seite an ihn herangetragen wurden, nachzuspüren und meistens auch zu glauben.
»Der Schreiber dieser Zeilen wusste genau Bescheid über intime Details des Frauenlebens, die er bei Euch bemerkt hatte. Ich denke, ich muss nicht deutlicher werden!«
Der Herzog errötete zwar bei diesen Worten, fuhr jedoch unbeirrt fort: »Das war der erste Hinweis. Der zweite: Seine Enthüllung passt genau zu Eurer Weigerung, sich mit einer Frau zu verheiraten. Hinzu kommt der Umstand, dass man Euren Namen noch niemals in Zusammenhang mit dem einer Geliebten oder auch nur einer Angebeteten gehört hat. Ein Sachverhalt, der zu einem normalen, gesunden, jungen Mann, der kein Kleriker ist, nicht zu passen scheint. Ja, in all den Jahren seid Ihr nie mit einem weiblichen Wesen auch nur im Entferntesten in Verbindung gebracht worden. Um das Ganze einigermaßen plausibel erscheinen zu lassen, habt Ihr das Märchen von Eurem jugendlichen Schwur der Ehelosigkeit erfunden. Das kam mir immer ein wenig dubios vor. Ich kenne Euren Vater und konnte mir nie recht vorstellen, dass mein Vetter diese Marotte bei seinem Stammhalter so ohne weiteres geduldet hätte: Der älteste Sohn ist doch in aller Regel für den Fortbestand der Familie verantwortlich.
Manchen drängte sich daher der Verdacht auf, Ihr fröntet in aller Heimlichkeit einem abscheulichen, von der Kirche verdammten Laster - das ich ebenfalls nicht näher beschreiben möchte. Es zeigte sich jedoch bald, dass an diesen Gerüchten nichts dran war.«
Deutlich brachte Maximilian damit zum Ausdruck, dass er sie hatte überwachen lassen.
»Herr«, flüsterte Alberta und sank in die Knie vor dem Herzog, »ich leugne es nicht.« Sie rang verzweifelt die Hände. »Ja, es ist wahr: Ich bin in die Rolle meines vor beinahe zehn Jahren verstorbenen Zwillingsbruders Rupert Wolfgang geschlüpft. Ich heiße Alberta Amalia und lebe seit fast einem Jahrzehnt mit einer falschen Identität. Ich bedaure den Betrug an Eurer Durchlaucht aus tiefstem Herzen und gäbe viel darum, wenn ich alles ungeschehen machen könnte.
Aber glaubt mir, Durchlaucht, ich handelte auf Bitten meiner Familie, die mit dem Tod meines Bruders nicht fertigwurde. Meine Eltern glaubten, auf diese Weise könne Rupert weiterleben. Dafür waren sie - schweren Herzens - bereit, mich, ihre Tochter, ›sterben‹ zu lassen.
Durchlaucht, ich schwöre Euch, ich bin froh und wie befreit, dass endlich die Wahrheit ans Licht gekommen ist - wenn auch durch den schändlichen Verrat eines ehemaligen Domestiken. Ich habe die Vermutung, dass es sich um Peter Frick handelt. Aber ich schwöre Euch, Herzog: Ich hatte beschlossen - Euer Beichtvater wird es bezeugen -, Euch die Wahrheit zu gestehen.«
Maximilian schien durch diesen Ausbruch ehrlicher Reue ein wenig milder gestimmt zu werden. Mit einer Geste erlaubte er der zitternden und leichenblassen jungen Frau, sich vom Boden zu erheben und sich zu setzen.
»Das ist wahr, Herr«, bestätigte der alte Jesuit. »Die Gräfin hat mir in der Beichte versprochen, vor Euch ein Geständnis abzulegen.«
Finster und mit zornig gerunzelten Brauen musterte der Herzog die »Delinquentin«. Sie sah erst jetzt, dass sich noch eine weitere Person im Raum aufhielt: der Hofnarr des Fürsten. Wölfflein nickte ihr begütigend zu und Alberta empfand gerade diesen stummen Zuspruch als überaus tröstlich.
»Ich habe mit Pater Contzen über Euren unglaublichen Fall gesprochen«, gab der Herzog zu. »Aber erst, nachdem ich das Schreiben, das der Verfasser mit einem erfundenen Namen unterzeichnete, gelesen hatte. Die Unterschrift lautete ›Hieronymus Waffenschmied‹. Einen Mann dieses Namens gibt es aber in ganz
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