Die Hexenadvokatin
vorherigen Niederkünften habe ich gleich zwei außergewöhnlich gute Wehmütter: Unsere angeblichen Hexen, die wir damals mit Gottes Hilfe aus dem Falkenturm
gerettet haben. Die alte Gerlinde und ihre geschickte Enkelin Heidrun werden mir in meiner schweren Stunde wiederum beistehen und dafür sorgen, dass erneut alles gutgeht, Pater Winfried.«
»Amen, Contessa, Amen. Die spektakuläre Befreiung der beiden Frauen hat seinerzeit für mächtigen Wirbel gesorgt!« Der Benediktiner brach in Gelächter aus. »Zuletzt hat man von oberster Stelle aus verbreiten lassen, es sei der Teufel gewesen, der die zwei Hexen aus dem Falkenturm zu sich genommen habe, haha!« Er kicherte schadenfroh.
»Ich denke, man war nicht daran interessiert, allzu gründlich über den Verbleib der zwei Gefangenen nachzuforschen - weil man irgendwie ahnte, wer für ihre Flucht verantwortlich zeichnete, es aber nicht beweisen konnte.«
Auch die Contessa war erheitert, als sie die Ereignisse noch einmal Revue passieren ließ: »Der Vorsprung Gerlindes und Heidruns war einfach zu groß und mein Vater hat sich in gewohnter Weise stur gestellt, als die Häscher aus München ihm auf den Pelz zu rücken versuchten …«
»Sei es, wie es sei, meine Liebe! Nach zwei gesunden Knaben wünsche ich Euch diesmal von Herzen ein kleines Mädelchen.« Pater Winfried verzog sein zerfurchtes Gesicht zu einem Lächeln. »Ich werde jedenfalls die ganze Zeit über, während Ihr in den Wehen liegt, beten - so innig, dass der Herrgott einfach ein Einsehen haben muss und Euch und das Kleine beschützen wird, Donna«, versprach der betagte Mönch.
Er war heilfroh, dass die Pläne seiner Herrschaft betreffs Auswanderung nach Übersee längst der Vergangenheit angehörten. Er hatte insgeheim eine Höllenangst davor gehabt; allein, was er über die Gefahren einer Schifffahrt übers Meer gelesen hatte, war ihm wie ein Kapitel aus Dantes Inferno erschienen …
Für seine beiden Schützlinge (Albertas Gemahl zählte er stillschweigend dazu) hatte sich alles zum Guten gewendet. Die Familie zu Mangfall-Pechstein hatte vor fünf Jahren gemeinsam mit dem Herzog, dem Jesuitenpater Contzen und nicht zuletzt mit ihm, Winfried, einen hervorragenden Plan geschmiedet:
Die junge Gräfin hatte man ganz allmählich aus dem Gedächtnis der Leute verschwinden lassen. Während Alberta heimlich nach Lucca abgereist war - man hielt sie tatsächlich für ihre jüngere Schwester -, ließ Maximilian in der Residenzstadt das Gerücht ausstreuen, er habe seinen geschätzten Geheimen Rat auf eine besonders delikate politische Mission ins nicht so freundlich gesinnte Ausland geschickt. Der Name des Landes blieb dabei wohlweislich ein Geheimnis.
Als »Graf Rupert« wochen- und monatelang nicht mehr auftauchte, vertraten viele Leute die Meinung, er wäre gewiss »von den Türken« gefangengenommen worden. Der Herzog - der Letzte, der dieser Version widersprochen hätte - war damit zufrieden. Die Fragen nach dem Schicksal des Geheimen Rats waren schließlich immer seltener geworden.
Donna Bertinas Gemahl hatte derweil den Namen seiner verstorbenen, italienischstämmigen Mutter angenommen, deren Schloss er bewohnte und deren Ländereien er als erfolgreicher Gutsherr und Winzer bewirtschaftete. Seine italienischen Untertanen waren damit sehr zufrieden.
Und als er ihnen gar die ausnehmend hübsche und liebenswürdige Dame, die fließend italienisch sprechen konnte, als seine Gemahlin präsentierte, kannte ihre Begeisterung kaum noch Grenzen. Seine Bauern und die in Lucca ansässigen Bürger und Handwerker nannten ihn ehrerbietig »Conte Maradonna« oder beinahe liebevoll »Don Enzo«; und seine schöne Gattin, die besonders von den einheimischen Frauen vergöttert
wurde, hieß nicht mehr Gräfin Alberta, sondern war von ihren Untertanen sofort in »Contessa« oder »Donna Bertina« umbenannt worden.
Dem glücklichen Paar war dies nur recht. All das war geeignet, die Spuren der jungen Frau mit ihrer mehr als ungewöhnlichen Vergangenheit zu verwischen. Nach der Geburt ihres dritten Kindes war geplant, dass Alberta zum ersten Mal seit Jahren ihre Eltern in Bayern aufsuchte.
Sie musste lediglich darauf achten, niemals zusammen mit ihrer jüngeren Schwester Auguste am Chiemsee aufzutauchen. Alberta - obwohl zehn Jahre älter als »Gusti« - war sehr jugendlich geblieben. Und die Einheimischen dort hielten die beiden Damen, die sich sehr ähnlich sahen, für ein und dieselbe.
Nach München allerdings
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