Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
es nicht so sein konnte. Wäre dieser Fremde, auf den sie im Wald gestoßen war, in feindlicher Absicht hier, hätte er ihr schwerlich das Leben gerettet und somit die Gefahr auf sich genommen, seine Anwesenheit frühzeitig zu offenbaren. Er hätte nicht einmal die Hand gegen sie zu erheben brauchen; es hätte ja vollkommen ausgereicht, wenn er gar nichts getan und einfach abgewartet hätte, bis der Wolf sie tötete.
    Der Fehler in diesem Gedankengang fiel ihr auf, noch bevor sie ihn ganz zu Ende gedacht hatte. Wenn dieser Fremde tatsächlich nur die Vorhut einer ganzen Horde wilder Krieger darstellte, konnte er es sich gar nicht leisten, dass jemand vermisst wurde und womöglich das ganze Dorf nach ihm suchte und die umliegenden Wälder durchkämmte.
    Was war denn dieser unheimliche Fremde nun - ihr geheimer Schutzengel oder ihr schlimmster Feind? Oder stammte der Schatten, den sie gesehen hatte, doch von jemand - oder etwas - ganz anderem, von etwas, das mit dem Heiligtum und ihrem heimlichen Besuch dort zu tun hatte?
    Es war verwirrend. Verwirrend und sehr beängstigend.
    Sie scheute davor zurück, wieder ins Dorf zu gehen. Dort gab es nichts für sie zu tun, und sie wollte auch nicht dorthin, schon aus Angst, den Schamanen oder vielleicht auch Kron zu treffen. Aber auch ihr eigenes Zuhause erschien ihr im Augenblick nicht sicher genug. Wäre doch nur ihre Mutter hier gewesen!
    Das Gefühl, nicht mehr allein zu sein, ließ sie zusammenzucken. Gehetzt sah sie nach rechts und links, drehte sich schließlich um, und ihr Gesicht verfinsterte sich, als sie die beiden Gestalten erkannte, die oben am Ende des Weges aufgetaucht waren. Es waren Kron und der Schamane. Im allerersten Augenblick hatte sie Angst, sie hätten sie gesehen (was zumindest auf Kron ja auch zutraf) und wären ihretwegen gekommen, dann aber bemerkte sie, dass die beiden in einen heftigen Streit verwickelt waren. Kron deutete immer wieder mit seinem verbliebenen Arm dorthin, wo sich gestern zu dieser Zeit noch die Hütte des Schmieds befunden hatte, und auch Sarn tat dasselbe, allerdings abwechselnd mit dem linken Arm und seinem Stock, wobei er immer wieder heftig den Kopf schüttelte. Mehrmals deutete er auch zu Arris Hütte hinunter, und schließlich schien es ihm zu bunt zu werden, denn er umfasste seinen Stock mit beiden Händen und stampfte wütend damit auf den Boden.
    Vielleicht hätte er das besser nicht getan, wenigstens nicht da, wo er gerade stand, denn das Ergebnis seiner jähzornigen Bewegung war eine gewaltige weiße Staub- und Aschewolke, die hochwirbelte und ihn und Kron zum Husten brachte. Beide wedelten unverzüglich mit der Hand vor dem Gesicht herum und wichen hastig ein paar Schritte zurück, und auch Arri trat ein kleines Stück in die Schatten des Waldes hinein; falls Kron und der Schamane sie nicht bereits gesehen hatten, dann mussten sie es ja auch nicht unbedingt noch tun. Sarns Laune war durch sein Ungeschick ganz gewiss nicht gestiegen - und wie sie den Schamanen kannte, würde er wahrscheinlich sie für seine eigene Dummheit verantwortlich machen.
    Ihr schadenfrohes Grinsen erlosch schlagartig, als sie zwischen die Bäume trat. Es war hier spürbar kühler als draußen im Sonnenschein; eine unangenehme, feuchte Kälte, die das Nahen des Herbstes ungleich brutaler ankündigte, als es das warme Licht der Spätsommersonne draußen glauben ließ. Und ihre eigenen Gedanken, die sie gerade bewegt hatten, waren noch nicht vergessen. Der fremde Schatten war noch in ihrem Kopf, intensiv genug, sie schon wieder die Blicke unsichtbarer, lauernder Augen spüren zu lassen, die sie aus dem Hinterhalt heraus beobachteten.
    Arri rief sich in Gedanken zur Ordnung und zwang sich, sich langsam und sehr aufmerksam umzusehen. Der Wald war düster und kalt und feucht, aber das war auch schon alles. Niemand war da.
    Solcherart beruhigt - wenn auch nicht so sehr, wie sie es sich gewünscht hätte -, wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder den beiden Männern oben am Weg zu und stellte verärgert fest, dass Kron zwar mittlerweile gegangen war, der Schamane aber gar nicht daran dachte, ihr denselben Gefallen zu tun und wieder zu verschwinden. Im Gegenteil: Er blieb eine geraume Weile reglos und mit trotzig gespannten Schultern stehen und sah schließlich so genau in Arris Richtung, dass sie nahezu sicher war, er habe sie gesehen, unbeschadet des Umstands, dass sie tief in den Schatten des Waldes zurückgewichen war. Sein Blick suchte aufmerksam den

Weitere Kostenlose Bücher