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Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe

Titel: Die Himmelsscheibe 01 - Die Tochter der Himmelsscheibe
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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ist?«
    »Gerüchte«, sagte Grahl abfällig. »Dummes Gerede, mit dem man Kindern Angst macht, damit sie sich abends nicht vom Feuer entfernen.«
    Lea seufzte. »Ja, und jetzt ist einer deiner Brüder tot, und der andere.« Sie schüttelte den Kopf, sah auf Kron hinab und hob dann mit einem neuerlichen Seufzen die Schultern. »Aber das geht mich nichts an. Was immer ihr getan habt oder auch nicht, ist geschehen, und ihr habt einen ziemlich hohen Preis dafür bezahlt.«
    Sie stand auf. »Gib Acht, dass er den Arm nicht bewegt«, sagte sie, an Arri gewandt, während sie sich umdrehte und mit schnellen Schritten im Nebenzimmer verschwand. Grahl starrte ihr nach. Er hatte die Kiefer so fest zusammengepresst, dass Arri meinte, seine Zähne knirschen zu hören. Vermutlich war ihre Mutter mit ihrer Frage der Wahrheit näher gekommen, als sie selbst ahnte. Arri hatte schon vor langer Zeit begriffen, dass es kaum einen sichereren Weg gab, sich den Hass eines anderen zuzuziehen, als ihm einen Fehler nachzuweisen.
    Als hätte er ihre Gedanken gelesen - vielmehr hatte er aber wahrscheinlich ihren Blick gespürt -, starrte Grahl sie nun so hasserfüllt an, dass sie rasch die Augen senkte und es allemal vorzog, auf Krons verheerten Arm zu starren. Ihr Magen krampfte sich prompt wieder zusammen, jetzt aber schon nicht mehr ganz so schlimm wie zuvor, und auch der Gestank schien bereits weniger schlimm zu sein, obwohl Arri nicht ganz sicher war, ob sie sich nicht einfach nur daran gewöhnt hatte. Vielleicht half ihr auch die wachsende Gewissheit, dass ihre Mutter sie wohl nicht zu dieser grässlichen Hilfe zwang, um sie zu quälen, vielleicht brauchte sie sie ja tatsächlich bei dem, was sie nun tun musste. Wahrscheinlich aber kam es ihr vor, dass auch dies Teil der geheimnisvollen Ausbildung war, von der sie in der vergangenen Nacht gesprochen hatte. Allerdings gefiel ihr dieser Teil weit weniger als die Unterweisung im Wald.
    Ihre Mutter rumorte einige Augenblicke im Nebenraum, und als sie zurückkam, trug sie eine ganze Anzahl kleiner Tongefäße und lederner Beutel auf den Armen. Geschickt balancierte sie mit ihrer Last heran, sank wieder auf die Knie und verteilte alles so um sich herum auf dem Boden, dass sie es ohne Mühe erreichen konnte.
    »Das Feuer«, erinnerte sie Arri.
    Froh, Krons Arm endlich loslassen zu können, stand Arri auf und ging zu dem flachen Stein in der Mitte des Zimmers, auf dem das kurzlebige Reisigfeuer seinen Zenit mittlerweile schon wieder überschritten hatte und erneut zu erlöschen drohte. Diesmal kostete es sie jedoch nur wenige Handgriffe, die Flammen neu anzufachen und einige etwas dickere Äste nachzulegen, die das Feuer länger in Gang halten würden. Es war sehr warm im Raum. Warum ihre Mutter ein so großes Feuer brauchte, verstand sie nicht wirklich - was hieß: Sie hatte einen Verdacht. Aber der war so unangenehm, dass sie den Gedanken rasch wieder von sich schob. Sie legte weiteres Holz nach und bröselte schließlich eine Hand voll trockenen Torf in die Flammen, der nicht annähernd so hell brannte wie die Zweige, aber heißer und sehr viel länger.
    Als sie fertig war und wieder an Leas Seite zurückkehrte, begann der Schlaftrunk seine Wirkung zu tun. Kron hatte die Augen geschlossen; er atmete noch immer schnell und hektisch, und an beiden Seiten seines Halses pochte eine Ader, die verriet, wie rasend sein Herz schlug. Doch als Lea vorsichtig die Hand ausstreckte und mit den Fingerspitzen die Wundränder berührte, reagierte er nicht.
    Was nun kam, hatte Arri schon oft genug beobachtet, aber sie hatte noch nie dabei mithelfen müssen, und sie war überrascht, dass es so ein großer Unterschied war. Ihre Mutter mischte Kräuter und Pulver, die sie aus den verschiedensten Pflanzen und Pilzen gewonnen hatte, in einer Wasserschale, in die sie anschließend ein sauberes Tuch tauchte, mit dessen Hilfe sie die grässliche Wunde in Krons Arm säuberte, so gut es ging; wobei so gut es ging ganz und gar nicht gut bedeutete. Das brandig gewordene Fleisch schien sich an manchen Stellen regelrecht aufzulösen, wenn sie mit dem Tuch darüber strich, an anderen wiederum war es hart wie Stein geworden oder begann heftig zu bluten, wenn sie es auch nur berührte.
    Der Gestank nach Eiter wurde so übermächtig, dass Arri zweimal schrecklich übel wurde, und auch aus Leas Gesicht war sämtliche Farbe gewichen, als sie endlich fertig war. Die Schale, in die sie immer wieder ihr Tuch getaucht hatte, war nun
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