Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition)
Dank verpflichtete. Ich habe in Italien den halb und halb klassischen Cicerone, in Frankreich den geschwätzigen Valet de place , in Spanien den bedächtigen, auf seine persönliche Ehre übererpichten Maultiertreiber (und »Maisfresser!«) kennen gelernt, aber der »Hochlandspostillon« in Schottland ist und bleibt mir der liebste von allen: derb und grob, aber ehrlich und treu!
Die Einteilung unserer Fahrt, desgleichen in welcher Richtung wir fuhren, unterstand natürlich Mac Donalds Ermessen, und nicht selten kam es vor, daß wir bei schönem Wetter an Punkten Station machten, wo keine Station gelegen war. Dann rasteten wir und stärkten wir uns unter einer Klippe, von der ein Wasserfall in die Tiefe schoß, oder am Rande einer durch grünen Rasen oder zwischen wilden Rosen fließenden Quelle. Für solche Plätzchen besaß Mac Donald Leish ein vorzüglich geschultes Auge: und wenngleich er ganz gewiß niemals in seinem Leben einen Blick in den Gilblas oder Don Quixote getan hatte, so wählte er doch immer solche Stellen zur Rast, die sich weder ein Lesage noch ein Cervantes hätte entgehen lassen.
Mac Donald Leish besaß noch eine andere, für einen Postillon in solch romantischem Lande nicht gering zu schätzende Eigenschaft: er war imstande, allen Schaden zu kurieren, der ein Pferd unterwegs treffen konnte, und besaß die Fertigkeit, jede irgendwie, sich einstellende Reparatur an seiner Postkutsche ohne fremde Beihilfe vorzunehmen. Sogar für einen Deichsel-oder Radbruch führte er das notwendige Werkzeug und die notwendigen Ersatzteile im Wagenkasten mit.
Aber auch für geistige Speise verstand er Zu sorgen. Jawohl, für geistige Speise! Dieser Donald Mac Leish war wirklich »ein ganzer Kerl«, mit Respekt zu sagen. Alle Sagen und Mären des von ihm so viel befahrenen Landes kannte er genau, und auf die geringste Anregung hin war er mit Erzählen bei der Hand. Desgleichen kannte er jedes Plätzchen jeden Weg und Steg, wo solche Sagen und Mären spielten, und jeden Ort und jede Schlucht, die der Schauplatz von Kriegen und Fehden der Clans gewesen oder wo in den Grenz-und in den Unabhängigkeitskriegen Kämpfe stattgefunden hatten oder Schlachten geschlagen worden waren.
In seiner Ausdrucksweise lag etwas Urwüchsiges, tief zum Herzen Sprechendes: man fühlte, daß er verwachsen war mit seinem Stoffe, daß er aufging in der Liebe zu seiner schönen Heimat, und er bot hierin einen merkwürdigen Gegensatz zu den vielen anderen Genossen im Berufe, die ihre Stärke in Menschenkenntnis und Geriebenheit, seinen Nächsten auszubeuten, suchen. Ich muß wirklich sagen, daß mir die Unterhaltung mit ihm während der Fahrt keinen geringen Genuß verschaffte.
Da er bald, herausfand, daß es mir ein Vergnügen war, mich mit ihm und mit Landsleuten von ihm auszusprechen, richtete er es oft so ein, daß wir in der Nähe einer Hütte Rast machten, in welcher noch irgend ein alter Gäle hauste, dessen Degen bei Falkirk oder Preston im Sonnenschein geglitzert hatte, und der als ein, wenn auch schwaches, so doch wahrhaftiges Zeugnis für verwichene Zeiten gelten konnte.
Oder er wußte es einzurichten, daß wir Einkehr in einem Pfarrhause oder bei einer Familie der besseren Stände, die ihr Heim »draußen im Felde« aufgeschlagen, halten konnten: bei Leuten also, die mit den alten Ursitten von Einfachheit und Gastfreundschaft jene Ureigenschaft höflicher Verkehrsweise verbanden, die ,dem schottischen Bergvolke als heilig gilt, dessen niedrigste Klassen sich in solchem Lichte anzusehen Pflegen, daß sie, wie der Spanier zu sagen pflegt, »als Edelleute, wenn auch an Reichtum nicht, so doch an Ansehen gleichstehen«.
Wir hatten den größeren Teil des Vormittags in dem lieblichen Dorfe Dalmally zugebracht und hatten uns von dem wackeren Pfarrer von Glenorquhy auf den See hinausfahren lassen. Sagen über Sagen hatte er uns erzählt von den finsteren Clan-Häuptlingen des Loch Awe, von Duncan mit der groben Wollmütze und von anderen Gebietern über, die jetzt verfallenen Türme von Kilchurn. Von Dalmally waren wir über den furchtbaren Cruachan-Ben gefahren, der mit wilder Felsenmajestät in das Meer hineinragt und bloß Raum für einen einzigen Paß läßt, in welchem der kriegerische Clan Mac Dougal, von Lorn durch den großen Schlachtenheld Robert Bruce, »den Wellington seines Zeitalters«, nahezu vernichtet wurde. Die Unzahl der über den Gräbern der Erschlagenen errichteten Steinhaufen, an der westlichen Seite des
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