Die Hochlandhexe Ein Kind der Sünde (German Edition)
Leben eines solchen. Etwas zu entbehren, was daß Stehlen verlohnte, hielt er für Schande. Niederländer, die in seinem Bereich wohnten und ihr Hab und Eigentum mit Ruhe genießen wollten, verstanden sich gern dazu, ein Schutzgeld in Gestalt einer freiwilligen Gabe an ihn zu leisten, des alten Sprichworts eingedenk: »Besser dem Teufel das Maul schmieren, als mit ihm raufen.« Andere, die solche Abfindung für schimpflich hielten, wurden zuweilen von Tavish Mhor und seinen Anhängern überfallen und gefangen hinweggeführt, bis sie sich zur Zahlung eines Lösegeldes verstanden. Wer sich des Lösegelds weigerte, wurde nicht bloß am Leibe, sondern auch am Besitztum gestraft. Noch vor wenigen Jahrzehnten war Mac Tavish Mhors Raubzug nach Monteith in aller Leute Munde, von wo er 150 Kühe an einem einzigen Morgen wegtrieb, und wo er den Gutsherrn von Ballybugh zur Strafe für die Drohung, ein schottisches Wachtkommando zum Schutze seiner Person und seines Eigentums aufzubieten, nackt in einer Jauchengrube aufhing, so daß er bloß mit Mund und Wasser über die ekle Flüssigkeit hinausragte.
Aber zu den Siegen dieses verwegenen Freibeuters gesellten sich auch Niederlagen, und oft solche, welche die Siege reichlich aufwogen. Wie oft es ihm gelungen sei, drohender Gefahr zu entrinnen, wieviel verzweifelte Fluchtversuche ihm geglückt waren und welches Unmaß scharfsinniger List er aufzubieten wußte, um sich aus schlimmen Situationen zu befreien, wurde von Mund zu Mund erzählt und von allen, selbst seinen Feinden im Lande, bewundert. Im Glück und im Unglück, bei allen Mühsalen, Schwierigkeiten und Gefahren war Elspat seine treue Kameradin, die ihm durch ihren starken Geist, ihre Besonnenheit und Ausdauer, ihren Mut und Eifer zum besten Beistand wurde.
Die Eheleute Mac Tavish Mhor und Elspat Mac Tavish führten ein Eheleben nach altem Hochländerbrauch: Ein Leib, ein Geist, ein Leben! dem Freunde treu, dem Feinde trutzig. Herden und Ernten des Niederlandes sahen sie an für ihr eigen, sobald sie die Mittel hatten, die Herden wegzutreiben und die Ernten einzuheimsen. Nie kam es vor, daß sich bei solchen Anlässen die geringsten Bedenken über mein und dein geltend machten. Hamish Mhor dachte, wie Hybrias, der kretische Krieger, in dieser Hinsicht gedacht hat, als er das Gastmahl bei Athenäus mit dem Rundgesange schloß:
Mein Reichtum ist mein Schwert und langer Speer,
Und der den Leib mir schützt, mein Schild!
Mit Schwert und Speer und Schilde pflüge ich,
Mit Schwert und Speer und Schilde ernte ich –
Mit Schwert und Speer, und Schilde keltre ich
Auch Weinstocks süßen Traubentrank!
Durch Schwert und Speer und Schild gelt ich als Herrscher,
Und wer nicht Schwert und Speer und Schild zu führen wagt
Der beugt vor mir als Herrn demütiglich sein Knie
Und grüßt und preist als seinen König mich!
Mit Mac Tavish Mhors gefahrvollen, wenn auch glückliche« Raubzügen begann es karger zu werden seit dem unglücklichen Kriegszuge des Prinzen Karl Eduard, »des Prätendenten«. Hamish Mac Tabish, genannt Mac Tavish Mhor, hatte es bei solchem Anlaß nicht zu Hause gelitten. Er war zum Prätendenten gestoßen und wurde deshalb geächtet als Staatsverräter sowohl wie als Freibeuter und Räuber. Es wurden Garnisonen gelegt in Orte, wo man nie zuvor einen Rotrock erblickt hatte, und die Sachsentrommel erklang jetzt bis zu den fernstem Schluchten der Hochlandsgebirge.
Mac Tavish Mhors Lage wurde von Tag zu Tag gefahrvoller; sein Schicksal drohte sich zu erfüllen; Anstalten zur Verteidigung oder Flucht ließen sich um so schwieriger treffen, als Elspat seinen Hausstand durch ein Kind vermehrt hatte: ein Umstand, der seine Beweglichkeit begreiflicherweise hemmte.
Endlich kam der Tag des Verhängnisses!
Am Fuße des Ben Cruachan, im Engpaß am Gietzbach, wurde der berühmte Mac Tavish Mhor von einem Kommando der Rotröcke überfallen. Sein Weib leistete ihm heldenhaft Beistand und lud ihm die Büchsen. Wohl wäre es möglich gewesen, über den Paß zu entkommen, dessen die Rotröcke sich nicht zu bemächtigen vermochten, wäre ihm nicht die Munition ausgegangen. Wer als die Kugeln, als auch all die blanken Knöpfe von Jacke und Weste verschossen waren und die Rotröcke nicht länger mehr durch die Furcht vor dem nie fehlenden Schützen gebannt wurden, da wurde die Feste gestürmt, da wurde Mac Tavish Mhor, der sich lebendig nicht fangen ließ – erschlagen – erschlagen nach dem verzweifeltsten Widerstande.
Elspat
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