Die Höhle in den Schwarzen Bergen
halben Tagesritt.«
»Dann bringt ihn gleich dorthin, ehe er uns hier krepiert. Was meinst du, Mattotaupa? Ich geb’ dir Urlaub, den Jungen zu den Pani zu bringen. Im Augenblick ist hier ja noch nichts los.«
Der Indianer warf Jim einen dankbaren Blick zu.
Die Vorbereitungen wurden getroffen. Die Nacht begann eben hereinzubrechen, als Mattotaupa und die beiden Pani sich aufmachten, um den Kranken in das nächste Zeltdorf der Pani zu schaffen.
Harka begriff kaum noch, was um ihn und mit ihm vorging. Das Blut hämmerte durch seine Schläfen, sein Herz klopfte heftig, vor seinen Augen war es dunkel, und der Kopf schmerzte ihn, als ob der Schädel zerspringen müsse. Er öffnete den Mund, um die kalte Nachtluft einzuatmen. Die Decke, in die er eingewickelt war, hätte er am liebsten abgeworfen. Alles quälte ihn, und er hatte unsäglichen Durst.
Es wunderte ihn selbst, daß er noch am Leben war, als die Reiter endlich das Ziel erreicht hatten. Er merkte, daß er auf eine weiche Unterlage gelegt wurde. Die Kleider wurden ihm abgestreift, aber den Messergriff umklammerte er mit der Kraft eines Irrsinnigen, und die Hände, die seine Finger öffnen wollten, ließen endlich von dem Versuch ab. Kaltes Wasser kam auf seine Stirn und seine Lippen. Als seine Sehnerven wieder funktionierten, erkannte er, daß er in einem Zelt lag. Es war ein großes Zelt; viele Jagd- und Kriegstrophäen hingen an den Zeltstangen, der Boden war mit Decken und Fellen reich belegt. Harka glaubte in seiner Fieberphantasie, daß er sich im väterlichen Zelt befinde, und da das Fieber ihn fast töten wollte, rief er: »Mutter!«
Eine Frau kam und murmelte Worte, die Harka nicht verstand. Es wurde ihm wieder schwarz vor den Augen, aber er hörte, daß Unruhe um ihn war, und endlich wurde er wiederum gepackt und aus dem Zelt hinausgetragen. Die Decke, auf der er lag, wurde aufgeschlagen, und die Nachtluft strich kalt über seinen ganzen Körper. Frost schüttelte ihn, daß ihm die Zähne klapperten. Er konnte aber wieder sehen. Über sich sah er den Sternenhimmel, um sich einen tanzenden Mann, behängt mit Schlangenhäuten und Tierschädeln. Der Mann schlug eine Trommel und schlich und tanzte um Harka herum. Das war der Geheimnismann. Er sollte den bösen Geist aus Harka verjagen, damit dieser wieder gesund würde. Der Zauberpriester packte auch Harka, zerrte ihn dahin und dorthin und sang dazu Zauberworte, die der Kranke nicht verstand. Aber Harka empfand einen verzweifelten Haß auf diesen Zauberer, den er in seinen Fieberphantasien für den Geheimnismann seines Dorfes hielt; er glaubte, daß es der Geheimnismann sei, der Harkas Vater Mattotaupa verleumdet und vertrieben hatte.
Harka wollte nicht mehr umhergezerrt werden, er wollte keine Trommel mehr hören und keine Zauberworte. Ruhe, Ruhe sollte um ihn sein, alles sollte so schweigend wie der Tod sein. Wie Harpstennah wollte er kalt und tot in einer Decke aufgehängt sein, und der Wind sollte darüber hinstreichen. Der Knabe hatte nicht mehr viel Kräfte. Er hielt immer noch den Messergriff umklammert, und er zog das Messer aus der Scheide, die er an einer Sehnenschnur um den Hals trug. Zustoßen konnte er nicht mehr, aber er riß mit der Spitze des Dolches seinen linken Unterarm auf.
Er spürte, wie das Blut herausschoß. Die Hitze verließ seinen Körper, die Schmerzen in seinem Kopf schwanden augenblicks, der Herzschlag ließ nach, und eine wunderbare, vollkommene Erschöpfung ließ alle seine Glieder erschlaffen.
Er schloß die Augen, denn auch die Sterne brauchte er jetzt nicht mehr zu sehen.
Wie ganz von fern wurde er sich bewußt, daß jemand nach seiner erkaltenden Hand und nach seinem Arm griff. Nun bestatteten sie ihn wohl, und er würde im Winde schaukeln wie alle Toten, so wie auch seine Mutter und sein jüngerer Bruder Harpstennah.
Als Harka nach alledem wieder einen klaren Gedanken fassen konnte, wußte er selbst nicht, wie lange Zeit er ohne Bewußtsein gelegen hatte.
Er wußte auch nicht, wo er sich befand, und er hatte noch nicht den Trieb, die Augen zu öffnen. Zuerst funktionierte nur sein Tastsinn, und das erste, was er spürte, waren weiche Decken unter seinem Rücken. Sie störten ihn nicht mehr, denn er empfand jetzt den Wunsch nach Wärme.
Dann stellte er fest, daß ihn nichts schmerzte, gar nichts, und daß er Kopf, Arme und Füße bewegen konnte. Er machte die Augen auf und sah Lederplanen. Er lag in einem Zelt.
Im Zelt war es hell, draußen mußte lichter Tag
Weitere Kostenlose Bücher