Die Hoellenaxt
Er keuchte. Er schlug beim Laufen mit den Armen um sich. Er kämpfte sich voran, und er wusste, dass seine Kraft nicht ewig reichen würde. Er würde sie allmählich verlieren und dann zusammenbrechen. Wohin er rannte, wusste er nicht. Es war eine öde und trostlose Umgebung, in der er sich befand und in der er keine Hilfe erwarten konnte. Er musste da durch, auch wenn er nicht wusste, wohin der unheimliche Verfolger ihn noch trieb. Oder auch die Angst.
Er rannte. Im Bett bewegte sich der Träumer hektisch. Er warf sich von einer Seite auf die andere. Er stöhnte auf, er gab auch leise Schreie von sich, als wollte er sich anfeuern.
Der Verfolger war gnadenlos. Er trieb ihn weiter. Und Miller rannte. Aber seine Schritte waren schon kürzer geworden. Er brachte die Füße kaum noch hoch. Sein Körper wurde immer schwerer. Es war grauenvoll, weiter zu laufen, aber er tat es trotzdem. Er gab nicht auf. Er musste kämpfen, denn es war nicht einfach nur ein Verfolger hinter ihm, sondern der Tod.
Und sterben wollte er nicht. Noch nicht.
Und deshalb lief er. Die Fassaden um ihn herum waren verschwunden. Er floh jetzt durch eine leere Landschaft. Da gab es keine Bäume, keine Hecken, nur das flache Land, das wie verbrannt wirkte.
Rod Miller rannte weiter. Er keuchte. Sein Blick fiel in den Himmel, der eine dunkelgraue Farbe angenommen hatte.
Dann drehte er sich noch mal um. Er wollte sehen, was ihn da jagte. Er glaubte nicht daran, dass es ein normaler Mensch war, und dachte an ein blutgieriges Monster, das sich auf seine Fersen gesetzt hatte.
Der Schock jagte wie ein glühender Eisenspieß durch seinen Körper. Denn zum ersten Mal hatte er den Verfolger zu Gesicht bekommen. Er konnte es nicht fassen. Es war unglaublich, denn alles, was er darüber gedacht hatte, wurde ad absurdum geführt.
Das war kein Mensch, der ihn verfolgte.
Es war auch kein Monster.
Es war – nein, er lachte nicht, aber fast hätte er es getan – ein gewaltiger Gegenstand. Jedenfalls kam er ihm so gewaltig vor. Und er war ein Mordinstrument.
Rod Miller blieb stehen. Er schaute in die Höhe. Er schüttelte den Kopf. Er konnte es nicht fassen, von einem derartigen Gegenstand verfolgt zu werden.
Die Axt schwebte über ihm. Sie stand in der Luft und zitterte leicht. Es schien ihm, als würde sie Maß nehmen, um dann grausam zuzuschlagen.
Miller wusste nicht mehr, wie er sich verhalten sollte. Er schaute nach oben, er ging auf die Knie und schüttelte den Kopf, doch er war nicht in der Lage, etwas zu sagen und die andere Seite bitten, ihn zu verschonen.
Die Axt war riesig. Sie hatte einen Holzgriff und eine breite graue Schneide.
Er wartete noch immer.
Die Axt ließ sich Zeit. Sie sorgte dafür, dass sich seine Angst steigerte.
Noch stand die Axt.
Einen Moment später nicht mehr. Da raste sie nach unten und genau auf ihn zu.
In diesem Augenblick wachte er auf!
***
Schlimme Gedanken durchfuhren seinen Kopf.
Es glaubte, um sich herum das Jenseits zu sehen oder etwas Ähnliches. Er begriff nicht, dass er noch in seinem Bett lag. Im ersten Moment war er zu durcheinander. Er schaute sich um, er wollte das Blut sehen und auch riechen, aber da war nichts.
Nur den eigenen Schweißgeruch nahm er wahr.
Wieso das?
Rod Miller wusste keine Antwort darauf. Er musste sich erst mal beruhigen. Er schüttelte den Kopf, er stöhnte auf und strich mit den Händen über sein schweißnasses Gesicht.
Er konnte es.
Es gab sein Gesicht noch.
Wenn das so war, dann gab es auch seinen Kopf. Genau dies war sehr wichtig. Das Gehirn und der Kopf gehörten dazu, sonst war er kein normaler Mensch mehr.
»Aber das bin ich«, flüsterte er sich selbst zu. »Ich lebe. Es hat mich nicht erwischt. Alles ist nur ein Traum gewesen. Ich liege in meinem Bett und bin okay. Ich kann den Traum abschütteln. Er hat mich nur etwas aus der Fassung gebracht.«
Plötzlich konnte er wieder lachen. Es war ein befreiendes Gelächter, das aus seinem Mund drang und sein Schlafzimmer erfüllte. Rod Miller war zwar noch nicht ganz obenauf, aber er war auf dem besten Weg dorthin, und das freute ihn.
Er kam langsam hoch.
Es war ein Hinsetzen wie im Zeitlupentempo. Er stemmte sich in eine sitzende Position und schaute sich im Schlafzimmer um. Da draußen noch Dunkelheit herrschte, war auch im Zimmer nicht viel mehr zu sehen als Umrisse.
Natürlich kam ihm das, was er sah, bekannt vor. Das Regal und der schmale Spind, der Stuhl in der Ecke, das schmale Fenster.
War das wirklich
Weitere Kostenlose Bücher