Die Hoellenaxt
den Sitzen, und es gab keinen Menschen, der groß auf sie geachtet hätte.
Die Tasche blieb nicht ruhig. Sie bewegte sich. Etwas drückte gegen das Leder. Im Innern der Tasche arbeitete es, als würde ein darin eingesperrtes Tier versuchen, sich zu befreien.
Das Leder war alt. Aber es war auch zäh, denn es gab noch nicht nach.
Die Tasche stand weiterhin auf dem Boden. Noch war sie nicht gekippt. Sie beulte sich vorn aus, kippte wieder zurück, es wurde ein erneuter Anlauf genommen, und wieder spannte sich das Leder, bis es riss und aufplatzte.
Die Axt kam frei!
Noch lag sie auf dem Boden, wo sie niemand sehen konnte. Der Bus war bis auf zwei Personen leer, und die hielten sich am anderen Ende auf.
Die Axt war frei und konnte agieren …
***
Jemand lachte und kicherte zugleich. Es war Roderick Miller, aber das merkte er erst nach einer Weile, nachdem er diesen Laut ausgestoßen hatte. Es musste raus, er hatte sich nicht beherrschen können, und was er kaum für möglich gehalten hatte, das hatte er geschafft. Er war die Axt los geworden, er hatte sie in der Tasche im Bus zurücklassen können und von nun an nichts mehr mit ihr zu tun.
Das war gut.
Und jetzt?
Er dachte noch darüber nach, wie er reagieren sollte, und kam zu dem Schluss, dass es besser war, wenn er erst mal nichts tat und abwartete. Einfach darauf lauern, dass sich etwas tat. Vielleicht im Bus.
Doch dort tat sich noch nichts. Der Bus stand, die meisten Fahrgäste hatten ihn verlassen, aber er fuhr nicht wieder los.
Genau das machte ihn misstrauisch. Irgendetwas stimmte da nicht. Der Fahrer hätte schon längst losfahren müssen, wenn er den Fahrplan einhalten wollte.
Die Türen blieben geöffnet. Es tat sich nichts am Bus. Der Fahrer schien zu warten.
Auch Rod Miller wartete, aber er hörte plötzlich nicht allzu weit von ihm entfernt eine Polizeisirene, die immer näher kam. Das Geräusch machte Miller nervös, aber dann verstummte es.
Miller stand so günstig, dass er sah, wie sich ein Wagen dem Bus näherte und hinter ihm in der Haltebucht anhielt. Es war ein Rover. Ein ziviles Auto. Eine Tür flog auf und ein Mann sprang aus dem Wagen.
Plötzlich schlug Millers Herz schneller. Beinahe hätte er sogar einen leisen Schrei ausgestoßen, denn er kannte den Mann. Es war dieser Sinclair, der Polizist aus der vergangenen Nacht.
Sein schneller Herzschlag dauerte an. In seinem Kopf spürte er einen ziehenden Schmerz, und er war froh, dass er nicht entdeckt worden war.
Sinclair lief auf den Bus zu. Sofort dachte Miller an die zurückgelassene Aktentasche. In ihr steckte noch die Axt. Auch wenn sie nicht zu sehen war, bildete sie eine Gefahr, denn Miller war sich sicher, dass sie sich auch von allein befreien konnte.
Dieser Sinclair lief bis zum Führerhaus und stieg ein.
Er weiß etwas!, dachte Rod Miller. Er weiß bestimmt etwas. Sonst hätte er sich nicht so verhalten.
Der Mann wurde nervös. Zu gern hätte er gehört, was der Polizist dem Busfahrer erzählte. Aber er traute sich nicht näher heran.
Dann dachte er an die Axt. Wenn die es schaffte, sich aus der Aktentasche zu befreien, würden sich die beiden Männer kaum gegen sie wehren können. Sie würde gnadenlos zuschlagen, das stand fest.
Miller wartete darauf, dass das geschah. Er ließ den Bus nicht aus den Augen, aber hinter den Scheiben war keine Bewegung zu erkennen. Wenn die Axt frei war, dann verhielt sie sich noch still.
Die Axt war da.
Miller war da.
Es hätte eigentlich zu einer Verbindung zwischen den beiden kommen müssen, doch das war nicht der Fall. Die Axt meldete sich nicht. Alles blieb normal – bis zu dem Zeitpunkt, als jemand Miller auf die linke Schulter klopfte und mit leiser Stimme sagte: »Ich denke, dass wir uns mal unterhalten sollten …«
***
Die Stimme gehörte Suko, der im Wagen geblieben war, nachdem John den Rover verlassen hatte. Er hatte die Aufgabe übernommen, die Umgebung zu beobachten, was er auch getan hatte.
Dabei war ihm ein Mann aufgefallen, der halb in einer Deckung stand, aber starr zum Bus schaute, als erwartete er davon etwas Besonderes.
Zunächst hatte Suko an einen Zufall gedacht. Das hatte sich bald als Irrtum herausgestellt, denn der Mann starrte ausschließlich in diese Richtung. Das musste etwas zu bedeuten haben. Jedenfalls war es nicht normal.
Suko verließ den Rover und ging auf den Fremden zu, der ihm plötzlich gar nicht mehr so fremd vorkam, denn er hatte das Gefühl, ihn zu kennen.
Nein, er kannte ihn nicht
Weitere Kostenlose Bücher